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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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kümmerte sich nicht um sein
Geschwätz. Er kippte den Kaffee hinunter, holte sein Manuskript aus dem Zimmer und
ging zum nächsten Postamt, wo er es achtfach kopieren ließ. Dann steckte er seinen
Artikel in acht Umschläge, kaufte Briefmarken und schickte ihn an genauso viele
Tageszeitungen zu Hause in Schweden.
    Eine Woche später wurde sein Text in
Heisingborgs Dagblad, Norrköpings tidningar und im Dalademokrat publiziert. Die
Bezahlung war miserabel, aber es war Konrads erste Arbeit als Journalist.
     
    D ie magische
Nacht im November begann wie jeder andere Abend auch. Konrad saß zusammen mit seinen
neuen Freunden in einer Bierkneipe am Kollwitzplatz, als ein kleiner Junge, verschwitzt
und rot im Gesicht, die Tür aufriss und so laut rief, dass alle es hören konnten:
    «Die Mauer ist offen! Man kann in den
Westen rüber, die Grenzer lassen einen einfach durch!»
    Ein unruhiges Gemurmel breitete sich
im Lokal aus. Blödsinn! Verdammter Bengel, den Leuten so etwas einzureden! Aber
Neugier und Sehnsucht waren groß. Dennoch konnte das doch wohl nicht wahr sein,
oder? Jemand schaltete ein Radio ein. Und dann begannen die Leute aufzustehen und
auf die Straße zu strömen, um der Sache selbst auf den Grund zu gehen.
    Konrad ließ sich neugierig mitziehen.
Bald wuchs das kleine Rinnsal von Menschen zu einem mächtigen Strom, der hinunter
in Richtung Mauer stürzte. Und als Konrad die Massen am Grenzübergang erblickte
und sah, dass die Mutigen den Stacheldraht heruntergerissen hatten und auf die
Mauerkrone geklettert waren und dass die Aufgebrachten, die Wütenden mit Hacken
und Brecheisen auf die Betonschicht losgingen, als er die hupenden Autos und die
resignierten Grenzbeamten sah, da wurde ihm klar, dass es Wirklichkeit war.
    Die Nacht war voller überbordender
Gefühle. Die Freude war besinnungslos. Das Lachen und die Tränen schmeckten bald
nach Champagner, bald nach Blut. Die Umarmungen versprachen ewige Freundschaft,
und der Jubel schien bis ins ganze Universum hinauszuhallen. Und genau in dieser
Nacht, in diesen wahnsinnigen Stunden, glaubte Konrad, dass auch er befreit worden
sei.
    Erst viel später, als seine Erinnerung
an die phantastische Nacht in einer Fotografie erstarrte, sollte er begreifen, dass
dem nicht so war.
    In diesen Vierteln um den Prenzlauer
Berg herum sollte Konrad auch bald Sonja begegnen.
    Doch das geschah in einer anderen Zeit.
     
    KAPITEL 15
     
    J emand hämmert
an die Tür. Im Halbschlaf hört Konrad Stimmengemurmel auf dem Korridor. Aber er
kann keine Worte erkennen. Ihm kommen böse Vorahnungen.
    Er blickt sich schlaftrunken im Zimmer
um. Gibt es irgendwo einen Fluchtweg?
    Kurz zieht er das Fenster in Betracht,
doch er weiß, dass es klemmt, und sieht ein, dass er es dort hinaus nicht schaffen
wird.
    Das Licht der Morgendämmerung sickert
durch die heruntergelassenen Jalousien. Wolfsstunde.
    Erneut poltert jemand an die Tür. Drei
Schläge, dann ist es wieder still. Konrad spürt, wie die Angst schleichend kommt,
wie das Adrenalin durch seinen Körper pumpt. Zu dieser Tageszeit kommt nur jemand,
der etwas im Schilde führt. Er sieht sich nach einem waffenähnlichen Gegenstand
um, doch das Einzige, was er entdeckt, ist der Stuhl, über den er seine Kleider
geworfen hat.
    Konrad ist nackt und wehrlos.
    Sie sind mindestens zu zweit, denkt
er. Ich habe zwei Stimmen gehört.
    Schnell zieht er die Unterhose an,
wirft die restlichen Kleidungsstücke auf den Boden und greift nach der Lehne des
Stuhls. Seine Rückenmuskeln spannen sich an, als er ihn anhebt, ein Krieger, bereit
zum Angriff.
    Dann hört er, wie sich der Schlüssel
im Schloss dreht, der Türgriff heruntergedrückt wird und die Tür aufgleitet.
    Mit einem Mal kommt Konrad sich ziemlich
lächerlich vor.
    Eva Ström mustert ihn von oben bis
unten. Ein gereiztes Lächeln lauert in ihren schrägstehenden Augen.
    «Sie haben es zumindest geschafft,
sich eine Unterhose anzuziehen», stellt sie trocken fest.
    Hinter ihr steht ein riesiger uniformierter
Polizist. Sein Schädel ist kahl rasiert. In seinen Augen, die groß und blau sind
wie Schwimmbecken, ist vor allem Erstaunen zu erkennen.
    Konrad stellt den Stuhl auf dem Boden
ab.
    «Was zum Teufel wollen Sie so früh
am Morgen hier?»
    «Sie abholen.»
    Eva Stroms Stimme ist kalt wie Stahl.
Das Lächeln ist wie weggeblasen, ihr Blick lässt keinen Zweifel zu. «Wie bitte?»
    «Ziehen Sie sich eine Hose an», befiehlt
sie. «Aber ich ...»
    «Ziehen Sie sich jetzt an! Sie

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