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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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anderes, Konrad. Nach
dem, was heute Nacht war, hat Klas angefangen, mir etwas zu erzählen. Er wollte
es eigentlich nicht. Er war total besoffen. Lallte und machte 'ne Menge Andeutungen.
Es war, als würde er eine Tür einen Spaltbreit öffnen und mich kurz reingucken lassen.
Nur so zum Spaß. Doch dann hat er es sich anders überlegt und sie wieder zugeknallt.»
    «Was für eine Tür denn? Und was hast
du gesehen?»
    Janet schaut sich um, als hätte sie
Angst, jemand könnte zuhören. Dann steht sie plötzlich auf und reibt sich die Augen
mit dem Ärmel ihrer Bluse trocken.
    «Ich muss gehen.»
    Doch bevor sie sich umdreht, beugt
sie sich zu ihm hinunter. Senkt ihre Stimme zu einem Flüstern.
    «Klas ist gefährlich. Halt dich von
ihm fern, so gut es geht, Konrad.»
    Das ist das letzte Mal, dass er mit
Janet redet. Das letzte Mal, dass er sie überhaupt sieht.
     
    KAPITEL 14
     
    E r muss angenommen
haben, dass die Wahrheit irgendwo zwischen den Zeilen versteckt sein und auf ihn
warten würde.
    Aber so ist es keineswegs.
    Er muss sich eingebildet haben, dass
das Bild deutliche Konturen annehmen würde, wenn er nur zurückkäme. Die Umrisse
klar werden und die Schatten sich lichten würden. Vielleicht ähnlich einer Sepia-Fotografie,
aber scharf und eindeutig.
    Konrad ist unweigerlich enttäuscht.
    Es ist, als wäre die Flüssigkeit des
Entwicklungsbades verunreinigt. Er steht in der Dunkelkammer, hat die rote Lampe
angeschaltet und starrt in das Bad hinunter, aber er sieht nur ein weißes, leeres
Blatt Fotopapier unter der Oberfläche schwimmen. Er tippt das Papier an und bewegt
die Wanne ein wenig, sodass sich kleine Wellen bilden. Aber es hilft nichts. Die
Wahrheit lässt sich nicht in einer einzigen Belichtung einfangen. Das müsste Konrad
eigentlich klar sein. Nicht einmal in tausenden.
    Aber sie lässt sich ergründen. Davon
ist er hundertprozentig überzeugt. Hinter der nächsten Weggabelung. Tief im Wald,
wo kein Sonnenlicht hinfällt. Begraben im stinkenden Mergelboden eines lehmigen
Ackers.
    Möglicherweise liegt die Wahrheit direkt
vor ihm, und er vermag sie nicht zu erkennen.
    Die Erkenntnis, dass er ausdauernd
und lange suchen muss, ermüdet ihn. Die Schatten und Nuancen betrachten. Verwerfen
und noch einmal neu beginnen.
    Sein Kopf ist schwer wie eine Wassermelone.
Es ist bereits spät, aber die Nacht ist hell. Er hört durch das halb geöffnete
Fenster von der Straße her Stimmen. Schritte, die langsam verhallen. Er schüttelt
sich, um den Nebelschleier zu verscheuchen.
    Konrad ist irritiert.
    Aber er hätte es natürlich besser wissen
müssen.
     
    S eine ersten
stolpernden Schritte auf der Jagd nach der Wahrheit machte er in Berlin.
    Es war im April 1989, also noch ein
halbes Jahr bis zum Fall der Mauer. Der Regen fiel schwer und trostlos auf Malmö,
als Konrad mit einem Rucksack auf den Schultern das Tragflügelboot über den Sund
nahm.
    Wieder auf der Flucht.
    Es macht keinen Sinn zu bleiben, versuchte
er sich selber einzureden.
    Aber als der Nachtzug aus dem Kopenhagener
Hauptbahnhof rollte, ätzte die Scham brennende Wunden in seine Seele.
    Er, der er selber verlassen worden
war. Es war wie eine Erbsünde.
    Maria war zwei Jahre alt, und er hatte
sie in der letzten Zeit nicht oft sehen können. Die Wohnung in Lindängen war von
Enttäuschung und Ohnmacht verpestet, die langsam in Schweigen überging. Dann der
Aufbruch und die Einsamkeit. Maria begriff natürlich überhaupt nichts. Wie sollte
sie auch? Und Konrad unternahm nie einen Versuch, es ihr zu erklären.
    Unmerklich grub sich der Treuebruch
in Mark und Bein.
    Konrad gab auf und suchte Zuflucht
in Berlin, der Stadt, die wie eine Insel im Feindesland lag.
    Er landete in Kreuzberg, mitten unter
den Türken, wo er sich bei einem desillusionierten Alten einmietete, der nichts
anderes tat, als über die Fremden herzuziehen. Konrad begriff früh, dass der Kerl
zu den Letzten gehört hatte, die die SS-Uniform ablegten, als die Russen kamen.
Ganz hinten in einer Schublade seiner Kommode hatte er sogar ein Hakenkreuz versteckt
und scheute sich auch nicht, es vorzuzeigen. Er behauptete sogar, dass er es direkt
aus den Händen des Führers entgegengenommen hätte.
    «Verdammtes Ungeziefer! Ich hab Tausende
von Kameraden dabei sterben sehen, wie sie die Bolschewiken aufhalten wollten.
Bin selber ein paarmal kurz davor gewesen draufzugehen. Und was passiert? Die Kommunisten
bekommen die halbe Stadt und die Türken die andere Hälfte», wetterte der

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