Laennaeus, Olle
trippelt
eine schmächtige, wasserstoffblonde Frau her, vermutlich seine Ehefrau. Ihr Gesichtsausdruck
hat etwas Gequältes, was offensichtlich darauf beruht, dass ihre Füße in ein Paar
Sandaletten mit Stilettoabsätzen gequetscht sind und sie sich aufs äußerste anstrengen
muss, um mit ihrem Mann Schritt halten zu können.
«This is
the middle of nowhere, Margie !», knurrt der Mann. «Who the hell told us to stay here?»
«But it
was just for one night, dear. Tonight we'll be in Copenhagen. »
«I hate
places with beds for midgets», entgegnet der Ehemann brummend
und zieht eine grüne Kreditkarte hervor.
Gertrud lächelt die beiden professionell
an und bedeutet Konrad zu warten. Er sieht, wie sie den Bezahlvorgang durchführt
und nach einem Taxi ruft.
«Have a
nice day and welcome back again!», ruft sie fröhlich und winkt
dem verirrten Paar hinterher.
«Over my
dead body!», zischt der Mann. Die Ehefrau winkt zurück und lächelt
entschuldigend.
Als sie durch den Ausgang verschwunden
sind, wendet Gertrud sich an Konrad und lacht kurz auf.
«Mr. and
Mrs. Andrew Darlington aus Bed Rock, Wisconsin», erklärt sie. «Ihre erste Reise nach Europa. Die Frau
hat schwedische Vorfahren. Du hättest die Ärmste gestern mal sehen müssen. Sie war
verzweifelt. Sie hat angenommen, dass ihr Urgroßvater hier auf dem Friedhof begraben
liegt. Aber offenbar hat sie sich im Ort geirrt. Sie haben das Grab nicht gefunden.
Und der Mann war, wie du gesehen hast, stinksauer, weil er umsonst hergereist ist.»
Konrad blickt aus dem Fenster, wo er
Herr und Frau Darlington auf dem Bürgersteig stehend auf ihr Taxi warten sieht.
Er beobachtet, wie der Mann seine Frau anbrüllt und sie beschimpft. Sie schüttelt
den Kopf und dreht sich verärgert weg.
Eine plötzliche Schwermut überkommt
Konrad. Alles erscheint ihm irgendwie so bedrückend.
«Früher konnte ich die Namen auf jedem
Grabstein da hinten auswendig», sagt er wie zu sich selbst.
Gertrud blickt ihn erstaunt an.
«Auf dem Friedhof?»
«Ja.»
«Du hast also gesucht...?»
Er nickt. Lässt seine Gedanken in den
Schatten unter der Kastanie und der düsteren Blutbuche schweifen. Schüttelt dann
die Erinnerung ab, wie um sich wachzurütteln.
«Gertrud, es ist nicht zufällig so,
dass ... Wann hast du eigentlich heute Feierabend?»
«Ungefähr in einer Viertelstunde»,
antwortet sie.
«Ich bin irgendwie ziemlich rastlos.
Wollen wir nicht ... tja, etwas gemeinsam unternehmen? Ich meine, an die Küste rausfahren,
oder so.»
«Ja gern, ich hab heute Nachmittag
nichts Besonderes vor», entgegnet sie. «Jedenfalls nichts Wichtiges.»
Doch in ihrer Stimme liegt ein gewisser
Zweifel. Oder hat er nur falsch gehört?
«Ich glaub sowieso nicht, dass Gudan
vor heute Abend zu Hause sein wird. Um den Schlüssel zu deinem Zimmer zu holen,
meine ich.»
Konrad hängt sich die Tasche über seine
Schulter.
«Jetzt sofort?»
Sie wirft dem Barmann Lennart einen
raschen Blick zu.
«Geht schon klar, Gertrud», sagt er
mit seiner gespenstischen Stimme. «Zieh nur los. Ich halte die Stellung.»
Offensichtlich hat er ihr Gespräch
mitgehört.
«Ich muss dich aber vorwarnen, ich
hab keine Klimaanlage in meinem Opel», sagt Konrad.
«Egal», entgegnet Gertrud unbekümmert
und hängt sich bei ihm ein.
Obwohl der Wagen nur eine halbe Stunde
gestanden hat, kocht die Luft im Inneren bereits. Sie lassen alle Scheiben herunter.
«Fahr schon los, bevor ich wegschmelze»,
lacht sie. Der Schweiß beginnt bereits, an ihren Schläfen hinunterzurinnen.
«Und, bereust du es schon?»
«Fahr einfach!»
Ohne zu fragen, wohin sie möchte, peilt
er die Strände bei Haväng an. Die erste Wegstrecke ist dieselbe, die er heute am
frühen Morgen in Richtung Onslunda gefahren ist. Sie sitzen beide schweigend da
und lassen sich vom Fahrtwind erfrischen. Konrad betrachtet Gertrud heimlich. Sie
hat ihre Sonnenbrille aufgesetzt und sich ein wenig nach hinten gelehnt. Ihre Haare
wirbeln wie rote Flammen über die Kopfstütze. Der rechte Ellenbogen hängt aus dem
offenen Fenster, sodass der Wind in den Ärmel ihrer dünnen Baumwollbluse fährt.
Sie sagt nichts. Schielt ein paarmal
zu ihm rüber, doch die Sonnenbrille lässt nicht erkennen, wohin sie den Blick richtet.
Nach einer Weile begreift er, dass sie möchte, dass er erzählt.
Konrad wartet noch, bis er Onslunda
passiert hat. Erst, als sie die Weidenallee hinter sich gelassen haben, deutet Konrad
zu Torstenssons Hof hinauf. Er muss beinahe
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