Laennaeus, Olle
alle außer ihm Statisten sind?
Die Menschen, denen er begegnet, machen
den Eindruck, als wüssten sie etwas. Als teilten sie ein Geheimnis und tuschelten,
zeigten hinter seinem Rücken mit dem Finger auf ihn und schüttelten mitleidig die
Köpfe.
Armer Konrad, da geht er umher und
kapiert rein gar nichts!
Selbst der vollgepisste Säufer, der
an seiner Bank vor dem Systembolag festgewachsen zu sein scheint, hebt seine schweren
Augenlider und blickt ihn mit einem falschen Lächeln aus seinen blutunterlaufenen
Augen an.
«Verdammt nochmal, reiß dich jetzt
zusammen!», ruft Konrad sich auf dem Weg zu seinem Wagen im Stillen zur Räson.
Aber seine Gedanken sind wieder bei
Gunnel an der Supermarktkasse. Warum hat sie sich so merkwürdig verhalten? Und
Sven, den er einmal so gut kannte wie seinen eigenen Schatten, was meinte er mit
seinen Andeutungen in der Mittsommernacht? Und Gertrud. Natürlich muss er andauernd
an Gertrud denken.
Dann sieht er Palander vor sich. Irgendetwas
an ihm geht ihm auf die Nerven. Etwas, das nur flüchtig auftaucht, wie ein Blinzeln
in den Augenlidern oder ein Zucken im Mundwinkel. Natürlich kann er sehr nett und
hilfsbereit sein. Aber es ist, als beobachte er ihn immerfort. Als würde er heimlich
ein Puzzle legen und sich eine List ausdenken, um auch noch an das letzte Teil heranzukommen.
Er ist ein schlauer Fuchs, denkt Konrad.
Als er gerade den Autoschlüssel in
den Opel stecken will, entdeckt er eine weitere Beobachterin. Auch wenn sie nicht
gerade diskret zu Werke geht. Das Mädchen sitzt zusammengekauert im Schatten an
der Gebäudewand, das Kinn auf die Knie gelegt, die in verschlissenen Jeans stecken,
und macht nicht den geringsten Ansatz, ihren Blick abzuwenden, als er sie entdeckt.
Sie ist klein und schmal. Ihr Gesicht ist blass, und unter ihrem rabenschwarzen
Pony blitzen ein Paar Pfefferkornaugen auf. An den Füßen trägt sie staubige rote
Chucks ohne Schnürsenkel.
Konrad wendet ihr den Rücken zu, um
ihrem Blick zu entkommen. Er geht ums Auto herum, öffnet die Fahrertür und wirft
den Beutel vom Konsum auf den Rücksitz. Dann merkt er, dass sie etwas von ihm will.
Sie ist aufgestanden und hat ihre Stofftasche über die Schulter geworfen, als würde
sie jeden Moment auf den Beifahrersitz springen wollen. Konrad hält inne und betrachtet
sie über den Wagen hinweg. Auch dieses Mädchen kommt ihm irgendwie bekannt vor.
Aber sie kann schließlich kein Schatten aus der Vergangenheit sein, dafür ist sie
viel zu jung. Als er den Mund öffnet, um sie anzusprechen, erinnert er sich, dass
sie der Gang angehörte, die am Kiosk herumhing, als die Schwedendemokraten ihre
Kundgebung auf dem Marktplatz abhielten.
«Willst du irgendwas von mir?»
Sie schaut sich unruhig um.
«Sie sind doch dieser Journalist, oder?»
Konrad nickt und wartet. Das Mädchen
scheint sich nicht recht entscheiden zu können, ob sie weiterfragen soll. Sie blickt
ängstlich drein.
«Willst du dich ins Auto setzen?»
Ohne zu antworten, öffnet sie die Wagentür
und springt rein.
«Fahren Sie einfach irgendwohin!»
Er startet den Motor und fährt langsam
und etwas planlos in Richtung der südlichen Ausfallstraße nach Ystad.
«Du kannst deine Scheibe auch runterkurbeln,
ansonsten wird es ziemlich heiß hier drinnen.»
Das Mädchen tut, was er gesagt hat.
Wühlt dann eine Zigarette aus ihrer Tasche und zündet sie, ohne zu fragen, an.
«Ich fahr in Richtung Fyledalen. Du
kannst dir Zeit lassen», sagt Konrad.
Zehn Minuten später rollt der Opel
auf der verschlungenen Schotterstraße in das langgezogene Tal hinunter. Das Mädchen
hat noch immer keinen Laut von sich gegeben. Konrad hat sie aus dem Augenwinkel
beobachtet. Aber geschwiegen. Irgendetwas sagt ihm, dass er ihr die Möglichkeit
geben muss, selbst die Initiative zu ergreifen. Er passiert die Steinbrücke über
den Fluss, biegt nach Norden ab und folgt dann der Straße, die an den Weideflächen
vorbeiführt. Das Knirschen der Reifen dringt durch die heruntergelassenen Scheiben.
Entlang des Flusslaufs liegen vereinzelte Höfe. Auf den morastigen Wiesen grasen
schwarz-weiße Kühe. Ein Stück entfernt erheben sich die Bergrücken mit grün schimmerndem
Buchenwald.
Nach einer Weile hält Konrad am Straßenrand
an. Er steigt aus. Kurz darauf folgt das Mädchen seinem Beispiel.
«Als ich jung war, bin ich immer hierhergefahren
und hab Vögel beobachtet», sagt er mit dem Rücken zu ihr gewandt. «Sven hatte ein
Fernglas. Hier gibt es 'ne Menge
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