Laennaeus, Olle
gesetzt hat.
Ich muss jemanden finden, der kapiert,
dass Feriz kein verdammter Mörder ist.
D ie Rastlosigkeit
überfällt Konrad, sie frisst sich wie ein Schwarm Termiten in seinen Körper hinein.
Eigentlich müsste er in seiner Sehnsucht nach Gertrud zuversichtlich sein, aber
alles, was er empfindet, ist Unruhe. Irgendetwas muss geschehen. Im Ort ist es so
eng und erdrückend, trotz der Stille und der leeren Straßen.
Aber Konrad weiß, dass er bleiben muss.
Die Verbindungen, von denen er angenommen hat, dass er sie längst abgebrochen hätte,
sind immer noch da und zerren an ihm. Irgendwer zerrt an ihm. Aber wer? Das weiß
er nicht.
Doch es gibt Dinge, die darauf drängen,
an die Oberfläche zu gelangen. Wenn er nur wüsste, wo er anfangen soll zu suchen.
Die Kassiererin im Konsum-Supermarkt
hat ein Tattoo in Form eines kleinen Drachens auf der Innenseite ihrer Brust, unmittelbar
neben der tiefen Spalte, die in der grünen Uniform des Konsumkittels verschwindet.
Ihr Gesicht ist rundlich und das Haar kurz geschnitten, dauergewellt und an den
Spitzen blondiert. Sie arbeitet wie eine Maschine, schiebt Konrads Brot, den Käse
und das Sixpack Falcon, ohne aufzublicken, über den Scanner, der drei Pieptöne
von sich gibt. «Zweiundachtzig Kronen», sagt sie mit eintöniger Stimme wie im Schlaf.
Konrad nimmt das Wechselgeld entgegen
und will den Supermarkt gerade verlassen, als er feststellt, dass er sie von früher
kennt.
«Gunnel...?»
Sie sieht ihn fragend an.
«Du bist doch Gunnel, oder? Aus der
Neunten. Gunnel ... äh ...?»
Er sucht in seiner Erinnerung. Doch
der Nachname ist wie weggeblasen. Er kommt sich dumm vor.
«Du erinnerst dich nicht mehr an mich?
Konrad Jonsson. Oder Konrad Jönsson?»
Plötzlich breitet sich ein Lächeln
auf ihrem Gesicht aus, als hätte jemand einen Hahn aufgedreht und ihren Blutkreislauf
in Gang gebracht.
«Schau an, der liebe Konrad!»
Sie wirft einen Blick in den Laden
hinein und stellt fest, dass die Reihen zwischen den Regalen, soweit sie es sehen
kann, leer sind. Dann richtet sie mit der Hand ihre Frisur, sodass ihre Armreifen
klirren, und streckt ihren Rücken.
«Da sitzt man hier in seiner eigenen
Welt und träumt. Taub und blind», lacht sie entschuldigend.
«Du hast dich kein bisschen verändert»,
lügt Konrad.
Sie lächelt kurz, und er begreift,
dass sie ihn sofort durchschaut hat. Es wird still. Konrad wechselt die Plastiktüte
von der einen in die andere Hand.
«Wie nett, jemanden aus der Klasse
wiederzutreffen!», versucht er es.
«Ja, wirklich ...»
«Hast du noch Kontakt zu den anderen?»
«Ja, die meisten wohnen noch im Ort.
Anna-Lena und Bettan arbeiten auch hier im Konsum.»
«Schön ...»
«Und du bist Journalist, wie ich gehört
habe?»
«Ja, nachdem ich das eine oder andere
ausprobiert hab. Und du? Okay, du arbeitest hier, aber wie geht's dir sonst?»
Konrad hat die Tüte mit Lebensmitteln
abgestellt und sich in einem Versuch, entspannt zu wirken, ans Ende des Kassentresens
gelehnt. Gunnel verschränkt die Arme über der Brust und wirkt plötzlich etwas reserviert.
Sie blinzelt mit den Augen und zieht dann gehemmt die Schultern hoch.
«Man geht zur Arbeit. Kauft ein. Versorgt
die Kinder. Hockt abends gemeinsam mit dem Mann auf dem Sofa und guckt fern. Wartet
aufs Wochenende. So ist wohl das Leben heutzutage ...»
«Ja, klar ...»
«Wir hatten übrigens vor einigen Jahren
fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Wir haben uns bemüht, alle einzuladen, aber ich
glaube, sie hatten keine Adresse von dir.»
«Nein, ich ... war viel unterwegs.
Kein Problem. Aber es wäre bestimmt lustig gewesen, dabei zu sein.»
Gunnel nickt zustimmend und sagt dann
in vertraulichem Ton, als hüte sie ein intimes Geheimnis: «Und weißt du, wer da
war?»
Konrad schüttelt den Kopf.
«Donald Göransson!»
«Oh, verdammt!»
Sie betrachtet ihn eine ganze Weile
forschend. «Ich weiß nicht, wer ihn eingeladen hat. Aber er saß dort in einer Ecke
und hat sich nett mit allen unterhalten. Etwas bucklig und gekrümmt, aber noch ziemlich
fit. Inzwischen ist er vollkommen weißhaarig. Wohnt wohl immer noch in seiner alten
Wohnung am Park. Ein reizender alter Mann.»
«Aber ich hab gedacht...?», entfährt
es Konrad perplex.
Plötzlich verfinstert sich ihr Blick.
Als fühle sie sich bedroht.
«Was hast du gedacht?»
Kann sie es denn vergessen haben? Das
ist doch wohl nicht möglich. Mit einem Mal befindet sich Konrad dreißig Jahre zurückversetzt
im stickigen
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