Laennaeus, Olle
am
Telefon davon gesprochen hat, dass er die Pistole kaufen will!»
«Ja?»
Sie schüttelt ungeduldig den Kopf,
genervt, dass er so lange braucht, um zu begreifen.
«Kapieren Sie denn nicht? Das war zwei
Tage nach dem Mord an den Alten!»
Endlich geht Konrad auf, was sie meint.
Er betrachtet für eine Weile ihr aufgewühltes Gesicht. Sagt sie die Wahrheit? Oder
will sie lediglich die Ehre ihres toten Bruders retten?
Er legt ihr die Hand auf die Schulter,
und diesmal zieht sie sie nicht weg. Dann bittet er sie, ihm im Detail zu schildern,
was sie zwei Tage nach dem Mord an Herman und Signe gesehen und gehört hat.
Dieses Mal bemüht sie sich um Ausführlichkeit:
Feriz auf der Bank unter der Birke
vor dem Haus. Er raucht und spricht in sein Handy, wie immer. Gestikuliert wild
und redet laut. Glaubt, er sei allein. Aber im Schatten eines Fliederbusches liegt
Fatima auf einer Decke und döst mit einem Taschenbuch auf dem Bauch. Ein paar Vögel
zwitschern, und hin und wieder fährt ein Auto auf der Straße vorbei, sodass sie
nicht alles mitkriegt, was er sagt. Aber dennoch genügend: «Eine Luger ... Du bekommst
zweitausend Kröten ... Am Möllan zehn Uhr heute Abend ... Okay, verdammt, it's
a deal!»
Als sie fertig ist, lehnt sie sich
mit dem Rücken gegen die Windschutzscheibe. Konrad neigt den Kopf nach hinten und
legt ihn aufs Dach. Er schaut in den Himmel, wo zwei Mäusebussarde umeinanderkreisen
und hin und wieder schrille Schreie von sich geben.
Eigentlich ist er nicht erstaunt. Irgendwo
tief in seinem Inneren hat er geahnt, dass es nicht die albanischen Jungs waren,
die Herman und Signe erschossen haben. Es wirkte doch ... ziemlich weit hergeholt.
Für ihn selbst war es natürlich von
Vorteil, solange sie die Schuld zugeschoben bekamen und er nicht mehr verdächtigt
wurde. Wenn Fatima die Wahrheit sagt - und die Polizei ihr glaubt -, werden sie
sich allerdings wieder auf ihn einschießen.
Scheißegal, ich muss ihr helfen, die
Polizei zu überzeugen, denkt er. Ich muss Kontakt zu dieser ... Eidechse aufnehmen.
Bei dem Gedanken bekommt er eine Gänsehaut,
und für eine Sekunde flimmert der Traum vorbei, in dem Björn Bernhardsson ihm die
Pistole an den Kopf hält.
«Wollen Sie auch einen Zug?»
Sie hat sich eine neue Zigarette angezündet
und reicht sie ihm mit ihren abgekauten Fingernägeln. Er nimmt sie entgegen und
füllt seine Lungen mit Rauch.
«Und hast du eine Ahnung, mit wem Feriz
am Telefon gesprochen hat?»
Fatima schüttelt den Kopf, und erst
jetzt sieht er, dass sie geweint hat. Eine Träne, die schon halb wieder getrocknet
ist, schimmert auf ihrer Wange.
«Ich hatte vor, mit ihm zu reden. Ihm
zu sagen, dass er mit diesem Scheiß aufhören soll. Aber es kam nicht mehr dazu ...»
Sie sitzen eine Weile lang in Gedanken
versunken da. Jeder in seiner eigenen Welt. Aber vereint durch eine gemeinsame
Gewissheit: Derjenige, der die Pistole an Feriz verkauft hat, muss auch Herman und
Signe umgebracht haben.
Sie ist eigentlich diejenige, die Trost
braucht, denkt Konrad. Sie hat gerade ihren Bruder verloren. Und was hab ich verloren?
Zwei Menschen, die ich nie geliebt habe. Und Agnes, das ist doch inzwischen verdammt
lange her. Er sieht Fatima an und fühlt sich machtlos. Will sie umarmen. Du vermisst
ihn, will er sagen und sie dann trösten, aber die Worte klingen bereits in seinem
Kopf hohl. Sie ist so schmächtig und wirkt doch so stark. Ihm fällt ein, dass sie
mehrere Jahre jünger sein muss als Maria.
«Warum erzählst du mir das eigentlich
alles?», fragt er schließlich.
«Mir ist niemand anderes eingefallen
...»
«Deine Eltern?» Sie seufzt resigniert.
«Dieses Land ... es war nie das, was
sie sich erhofft hatten. Also haben sie sich in ihrer eigenen Welt vergraben. Papa
sitzt auf dem Balkon und quatscht die ganze Zeit von der Schlacht auf dem Amselfeld.
Mein Gott, eine Schlacht, die sechshundert Jahre her ist, wenn der eigene Sohn ermordet
worden ist! Und Mama, sie hat eine Heidenangst vor allem, was mit der Polizei zu
tun hat.»
Fatima drückt die Kippe auf dem Blech
des Wagens aus, und plötzlich meint Konrad, ein Lächeln in ihren Mundwinkeln zu
erkennen.
«Ich hab Sie bei dieser Demonstration
auf dem Marktplatz gesehen. Aus irgendeinem Grund hatte ich den Eindruck, dass
ich mich auf Sie verlassen kann.»
Er lacht auf, fühlt sich in gewisser
Weise geehrt.
«Aber erst hast du noch einen Zettel
in Palanders Briefkasten geworfen ...»
Fatima blickt ihn verständnislos
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