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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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geglotzt hatte und meinungslos mitgetrottet war, sodass Fiona gar nicht anders konnte als sie dauernd kritisieren und herumschubsen, diese mondsüchtige junge Kuh. So urteilte sie gnadenlos über ihr altes Ich, das zum Zeitpunkt dieser Erkenntnis mausetot sein musste, anders war das ja gar nicht denkbar.
    Stark und unempfindlich war sie nun, ein paar Stunden lang, vom fremden Leid befeuert. Endlich füllte sie ihre eigene Erwartung aus. Sie leitete Fiona, die sich gar nicht wehrte, liebevoll und bestimmt durch den Abend, sie lachte und plauderte und unterhielt. Erst setzte sie Fiona in ein Café in der Altstadt und bestellte ihr einen Campari, während sie selbst die Handtücher und Badeanzüge in die Wohnung zurückbrachte. Dass das Bargeld knapp war, war ihr noch undeutlich bewusst, deshalb packte sie die Einkäufe des Tages in den Rucksack, fand eine Flasche Wein in der Küche und hatte sich somit für ein Abendpicknick entschieden. Einen Moment lang dachte sie dabei an den Weinberg, als könnte man eins mit dem anderen überschreiben.
    Nein, Martine fragte nicht weiter, aber Fiona brauchte den ganzen Abend, um es zu begreifen. Und das hasste sie am meisten an sich, obwohl es ihr selten unterlief: Gutgläubigkeit. Nachher auf sich selbst schauen, wie man sich ausgeliefert hat. So war schon der Frühling gewesen mit diesem Mann, von dem sie das richtige Leben erwartet hatte. Viele Wochen waren im Glücksrausch vergangen, bis sich seine Versprechen zu oft wiederholten, aber sie hatte sich ihren Zweifeln gegenüber taub gestellt und gedacht, wenn sie nur einmal anders sein könnte, gläubiger eben, dann würde es auch anders ausgehen. Als sie eine kleine Frage stellte, spielerisch, wie nebenbei, da hatte er erst geschwiegen, als hätte sie ihn beleidigt, und dann einen Tausend-Schilling-Schein in der Mitte zerrissen, das war sein Wetteinsatz. In ein paar Wochen, wenn alles geklärt ist, kleben wir ihn wieder zusammen, und dann gehört er dir. Sie hatte gelacht und den halben Schein im Portemonnaie herumgetragen wie einen Talisman, aber nach allem, was danach passiert war, fand sie die Symbolik pervers. Da erst fiel ihr wieder ein, wie bei ihm gelegentlich der Geiz aufgeflackert war, wenn er sie manchmal, mit schiefem Lächeln, die Hälfte der Gasthausrechnung hatte bezahlen lassen. Und wie er einmal gesagt hatte, später, wenn wir zusammenleben, können wir aber nicht dauernd essen gehen! Am Tag, als sie das Krankenhaus verließ und nach kleinen Scheinen suchte, um sie in die Kaffeekasse der Schwestern zu stecken, fand sie den halben Tausender wieder und warf ihn weg wie etwas Giftiges, und sie bedauerte nur, dass er nicht zusammen mit dem entsorgt werden konnte, was man in allerletzter Minute aus ihr herausgeholt hatte.
    Der letzte Abend mit Martine war damit zwar nicht vergleichbar. Aber er war ein weiterer Beweis dafür, dass man Zeichen um Zeichen beobachten und als Bausteine in die eigene Erwartung einfügen konnte, bis sich auf einmal herausstellte, sie passten genauso gut in ein gegenteiliges, ein feindliches System.
    Der intime Moment am Strand, als sie ihre Wunde gezeigt hatte: Da hatte doch alles zwischen ihnen neu begonnen, anders, ehrlicher, da war doch alles auf null gestellt! Auch Martine schien erschüttert, so hatte es gewirkt. Von diesem Donnerschlag würden sie sich beide erholen müssen, aber dann, später, würde Martine sich behutsam dem Geheimnis wieder nähern und Fiona mit den richtigen Fragen befreien. Als sie dann gleich angerannt kam mit dem Eis und einer zerrupften Blume, da ließ sich Fiona einfach fallen, als schlüge die Erschöpfung der letzten Wochen erst in diesem Moment über ihr zusammen. Da war es, ihr schönes, braungebranntes Mädchen, das an anderen Stellen stark sein würde als sie, wenn sie es erst einmal erwachsen gemacht hätte. Aber jetzt war sie dran, sie ließ sich umsorgen, nach dieser Selbstentblößung am Strand konnte es nicht anders sein, das war nur fair.
    Später saßen sie an einem Brunnen, in der Nähe einer gut besuchten Trattoria. Sie tranken Wein aus der Flasche, Martine holte Brot und Käse aus dem Rucksack und begann, Häppchen zu reißen, einfach mit den Fingern, die sie ihr teils überreichte, teils direkt in den Mund schob. Fiona dachte nicht darüber nach, woher diese Vorräte stammten. Später würde sie kaum glauben können, wie ihre Wachsamkeit versagt hatte, sogar bei einem kleinen Mädchen, das noch nicht trocken war hinter den Ohren.
    Statt auf

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