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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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anklagende Geiz war nur ein Symbol, denn natürlich wäre Fiona nicht auf zwei Scheiben Mortadella angewiesen gewesen, nach Martines Abreise. Und sie selbst, ihrer ganzen jugendlichen Unbeholfenheit zum Trotz, hätte sich gewiss nicht behandeln lassen, als hätte sie ihr den Käse weggefressen, als hätte sie ihr Geld auf der Straße verstreut.
    Das Baby stieß mit dem Bein und maunzte, Martine machte ein paar wiegende Schritte und summte die Melodie der Spieluhr. Sie hatte keine Erinnerung an den Abschied von Fiona, hatte sie wieder das rote Tuch getragen, die große schwarze Sonnenbrille? Sie sah sich mit zwei Kekspackungen im Zug sitzen, draußen der Regen im Mürztal. Italien war vorbei, Fiona auch. Nach dem Sommer war sie nicht wiedergekommen. Wie geplant bekamen sie ihre alte Französischlehrerin zurück, aber Fiona war gar nicht mehr an der Schule. Es dauerte eine Weile, bis es Martine begriff. Zuerst hatte sie gedacht, Fiona ginge ihr aus dem Weg, oder sie hätten sich zufällig noch nicht getroffen. Und dann wusste sie nicht, wen sie nach ihr hätte fragen können, und wahrscheinlich hätte es auch komisch gewirkt. Vielleicht war sie zu feig gewesen.
    Am Südbahnhof holte ihr Freund sie ab, den sie schon kurz nach der Matura für ein selbstmörderisches halbes Jahr mit dem vierzigjährigen Arzt verlassen würde, erste Erfahrungen mit Kokain und Impotenz inklusive. Die Jahre, die folgten, waren viel dunkler gewesen als das so verheißungsvoll glitzernde Ende der Schulzeit. Sie nahm sich vor, bei ihren eigenen Kindern großzügig zu sein, wenn sie in diesem unübersichtlichen Alter um die Zwanzig straucheln sollten.
    Sie legte die Wange an den fast haarlosen Babykopf.
    Sie war aus dem Zug gestiegen, den Rucksack, der unverändert muffig roch, geschultert, und da war ihr erster Freund gestanden, mit seinem ironischen Lächeln, er war so ein lieber Kerl. Er hatte einen unsäglichen hellgrauen Filzjanker getragen, das wusste sie noch genau. Filz wurde aber erst zwanzig Jahre später modern.

Wollust

RUMENT SCHÄUMTE GERADE DIE MILCH für Joanas Kaffee, da fiel ihm auf, dass er lange nicht mehr an Sex gedacht hatte. Umso heftiger überkam ihn die Lust, so sehr, dass es notwendig wurde, erst kalt zu duschen. Er hoffte, dass der Kaffee nicht ebenfalls auskühlen würde, und er wollte sich deshalb beeilen. Er trug das Glas mit der perfekten Schaumhaube in sein Bad – sie hatten getrennte Bäder –, stellte es vorsichtig auf den Toilettendeckel und zog sich mit einem Ruck die Pyjamahose herunter. Er schaute da gar nicht hinunter. Er öffnete die Duschkabine, stieg hinein, schloss die Tür und drehte mit derselben Entschlossenheit auf, mit der er im Sommer in die eiskalten Seen sprang. Es nahm einem immer ganz kurz den Atem, bevor man schreien wollte, er mochte das, wirklich. Wie neugeboren, dachte er, erst ein Schock, dann schreien, daher kam das wohl. Im Sommer sprangen immer nur die Männer in die Seen, er, Gerhard und Martin, während die Frauen unter ihren Hüten und Schirmen blieben und sie, wenn sie prustend und glücklich zurückkamen, so ironisch begrüßten wie unverbesserliche junge Hunde.
    Joana ging nicht gern schwimmen, schon gar nicht zu Hause, wo die Seen kalt waren. Als sie im vergangenen Jahr in der Karibik waren, planschte sie manchmal ein bisschen im lauen Meer herum, aber den verspielten Poollandschaften, über die alle Traumhotels verfügten, verweigerte sie sich – allerhöchste Scheidenpilzgefahr. Sie hatte deshalb eigene Handtücher mitgebracht. Sie fuhr nicht mehr ohne eigene Handtücher auf Urlaub, seit sie in Florida während des Schüleraustauschs einen Drugstore aufsuchen und einen weiblichen Lehrling um ein Mittel against vaginal itching hatte bitten müssen. Ihre schwedischstämmige Tutorin, die aussah wie eine etwas weniger göttliche Schwester von Greta Garbo, begleitete sie zum Glück in den Drugstore. Über den Gesichtsausdruck des Lehrlings hatte die Schwedin nachher in einer etwas merkwürdigen, gewiss tröstlich gemeinten Formulierung gesagt, she looked as if she was born yesterday , doch die Peinlichkeit saß Joana noch Jahre später in den Knochen. Zuerst hatte sie ja versucht, die Sache so zu überstehen, aber der Juckreiz war nach wenigen Tagen so unerträglich und das, was sie in ihrem Taschenspiegel sehen konnte, so bizarr, dass sie um einen Gang zum Drugstore bitten musste. Und das war damals wohl von den Handtüchern gekommen, denn geschwommen waren sie bis dahin gar

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