Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
Vom Netzwerk:
aus gesehen war das lächerlich, jugendlicher Größenwahn. Fiona, die damals jünger war als sie heute, war einfach irgendwie übergeschnappt und konnte das nur an der dummen jungen Martine auslassen. Dafür hätte Martine ihr ja ewig böse sein können, für dieses schamlose Abreagieren an ihr, die sie doch kein Gegner war, sondern das bereitwilligste Opfer weit und breit. Wahrscheinlich hatte sie sich noch kleiner gemacht, als sie sich ohnehin fühlte, weil sie merkte, dass zumindest das Fiona gefiel.
    Aber eigentlich war es doch zum Lachen gewesen, die noch in der Plastikfolie halbierten Mortadella-Scheiben und das riesige Theater wegen des ›verschwendeten‹ Käses! Martine wunderte sich, dass sie diese Geschichte noch nie jemandem erzählt hatte.
    Am Brunnen, gerade, als es am schönsten war, hatte Fiona mit einem Schlag wieder die Lehrerin herausgekehrt. Martine schien irgendetwas Falsches gesagt zu haben, aber wahrscheinlich war es darum gar nicht gegangen. Wahrscheinlich gab es nichts, was sie hätte richtig machen können. Fionas Wut musste raus, nur dafür war Martine da. Ganz scharf und kalt war sie gewesen, als sie auf einmal gefragt hatte, welcher Käse und welches Brot das eigentlich seien. Und Martine fühlte sich sofort überführt, allein durch den Ton ihrer Stimme. Ja, sie hatte die Vorräte aus der Wohnung mitgenommen, natürlich, was sonst. Nein, sie hatte nicht darüber nachgedacht, was sie am nächsten Morgen frühstücken würden und was Fiona noch am Tag danach, denn nach dem Feiertag kam ja das Wochenende. Nein, sie hatte natürlich keine fünftausend Lire für das Eis bezahlt und auch keine fünftausend herausgenommen. Ja, sie war ganz sicher, dass ihr beim Eiskaufen nichts aus Fionas Portemonnaie gefallen war, ganz sicher, und sie konnte sich auch nicht erklären, warum jetzt nur mehr so wenig drinnen war.
    Martine bemerkte das kurze Zögern wohl, als Fiona ihr vorrechnen wollte, wie viel sie im Supermarkt und für die Liegestühle bezahlt hatte und also noch hätte übrig haben müssen, denn die Rechnung ging nicht auf, vielleicht irrte sich Fiona mit der Ausgangssumme, aber darauf hätte Martine nicht hinzuweisen gewagt, na, egal, unterbrach sich Fiona, es fehlt auf jeden Fall Geld. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass du nicht nachdenkst und keine Rücksicht nimmst. Es geht darum, dass du großzügig bist auf anderer Leute Kosten. Du tust, als würdest du etwas für mich tun, und dabei lädst du mich mit meinem Geld ein.
    Es dauerte gar nicht lange, dieses schockierende Ende des Abends an dem Brunnen, eigentlich waren es nur ein paar gezischte Sätze, Geld, Rechnung, Rücksichtslosigkeit, gut meinen ist nicht dasselbe wie Gutes tun. Martine hatte den Kopf gesenkt, doch wurde sie trotzdem getroffen. Bald gingen sie zurück in die Wohnung und legten sich schlafen.
    Am nächsten Morgen dann der Frühstückstisch, auf jedem Teller eine halbe Scheibe Mortadella, für jeden eine Hälfte der Sonne, dazu fünf Stück Knäckebrot. Die Margarine schien unrationiert zur Verfügung zu stehen, doch Martine, die zu Hause nie Margarine bekam, immer Butter, nahm lieber nur dünn. Sie beobachtete Fiona, die die halbe Mortadella-Scheibe in weitere Streifen schnitt und jeden davon schräg auf eines ihrer Knäckebrote legte, es wirkte wie die Gurkendekoration auf belegten Broten, nur dass auf belegten Broten darunter die Hauptsache war. Hier war die Dekoration die Hauptsache, mehr gab es nicht, Martine war schuld, sie hatte das Frühstück versaut und, wer weiß, viel mehr als das. Martine beobachtete Fionas Scheibenschneiderei, dann schlug sie ihre Mortadella-Hälfte zu einem Viertelkreis zusammen, nahm sie also doppelt, legte sie auf das erste Knäckebrot und biss zu. Zu mehr Gegenwehr war sie nicht in der Lage. Die restlichen Knäckebrote aß sie mit Margarine.
    Das Baby auf der Schulter, ging Martine im dunklen Zimmer auf und ab. Der Film war längst vorbei, nun flimmerte irgendeine Dokumentation auf dem Schirm, sie hatte den Ton ganz abgestellt. Draußen rauschte immer noch Verkehr, sie mochte den Blick auf die breite, schnurgerade Straße, die roten und weißen Lichterketten, die unverhüllte Großstadt. Sie vermisste ihren Mann, der den Namen Fiona noch nie gehört hatte. Die Szene mit den zwei Hälften der Mortadella-Scheibe, das würde ihm gefallen. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto mehr rutschte die Sache ins Tragische. Es musste um etwas ganz anderes gegangen sein. Dieser

Weitere Kostenlose Bücher