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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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ein abgenagter Knochen, unsinnlich bis in sein kariertes Hemd? Sie sehnt sich nach Leo, nach seinem Rotweinatem, seinem Hüftspeck, seinen wollig behaarten Unterarmen.
    Aber dieses Fünfzehnjährigen-Gefühl vorhin am Steg, das hat sie sich doch nicht eingebildet? Sie sitzt auf dem Schemel und streckt die Beine aus. Ist es hier wirklich so düster, oder verliert sie gerade ihr Augenlicht? Früher ist sie manchmal ohnmächtig geworden, niedriger Blutdruck, das ist lange her. Es lässt sich nicht willentlich herbeiführen. Dämmrig ist es in der Scheune, doch vor Ilka sprühen die Funken. Jan schweißt, damit Leo und sie ihre Besitztümer wieder wegsperren können. Ihre Satirische Natur grinst.
    Als Jan fertig ist, steht Ilka auf, stellt sich dicht hinter ihn, schiebt ihm beide Hände flach in die Gesäßtaschen, als täte sie das täglich, und fragt in sein Ohr hinein: »Ist schweißen eigentlich schweißtreibend?« Er dreht sich zu ihr um, verdreht ihr dabei die Arme, die sie deshalb schnell befreien muss, fasst ihr mit Daumen und Zeigefinger prüfend ans Kinn und sagt: »Schweiß nicht.« Ilka kichert überrascht und fürchtet, dabei zu viel von ihren Zähnen zu zeigen. Jan sieht sie an, unergründlich, und Ilka bemerkt, dass er nach nichts riecht, nach gar nichts, nicht einmal nach Holz oder Staub. Bevor einer eine Entscheidung treffen kann, fällt die Scheunentür ins Schloss.
    »Wer war das?«, ruft Ilka und fährt zurück. »Das wäre dir schon unangenehm?«, fragt Jan interessiert. »Nein«, lügt sie und wendet sich zum Gehen. Halt mich auf, bittet sie stumm, als sie beutelschwenkend durch den hohen Raum schreitet, ruf mich zurück. Doch so dumm ist er nicht, sie hätte es ihm auch nicht verziehen. Schon ist sie draußen, die Schrebergärten kommen näher, die erste rote Keramikzipfelmütze, die erste Gartenbar.
    In Ilkas Kopf ringen die Parteien um ein Fazit. Versuch eins: Eine Ehefrau und Mutter, kurz vor der Marktuntauglichkeit, auf schreiend ungeschickter Suche nach einem Abenteuer. Zu dem ihr auch noch die Courage fehlt, vom passenden Co-Abenteurer abgesehen. Versuch zwei: Ein netter, unauffälliger Einzelgänger, der in seiner schummrigen Scheune routiniert Frauen verführt. Sie laufen ihm wohl rudelweise zu, weil er so wirkt, als müsse man ihn retten. Sie überführt sich dabei, dass sie Version zwei noch abstoßender findet.
    Nun rennt sie schon fast. Ein Schreberer grüßt über den Zaun, sie nickt ungeduldig. Füttere du deine Gartenzwerge und lass mich in Ruh. Zu Hause steht das Auto, Gott sei Dank. Ilka läuft ins Haus, hängt schon an Leos Hals und schluchzt: »Heute ist kein guter Tag.«
    »No, no«, macht Leo, »das sind die blöden Gartenstühle gar nicht wert.«
    »Mami!«, ruft Amos. »Eis gessen!«
    »Mäuschen«, haucht Ilka und nimmt Alina in den Arm, »was haben sie gesagt?«
    »Zwei kleine Stiche, und bis zur Hochzeit ist alles wieder schön«, referiert zufrieden Alina, den Mund voll Waffel und Eis.
    »Was ist mit Joshi?«, fragt Leo.
    »Der übliche Anfall. Wahrscheinlich im Wald«, sagt Ilka, während sie sich an die Stirn tippt. Gerade will sie höllisch lachen über diesen wie nach Plan verunglückten Tag, da gibt es einen Knall. Amos, der schon als Baby so schreckhaft war, dass er die doppelte Menge Vitamin D verschrieben bekam, fährt zusammen. Mitten in Ilkas erstauntes »Was war das?« kommt der nächste Knall. Und noch einer. Und noch einer. Sie horchen.
    »Da hämmert einer«, sagt Leo und geht langsam, den Kopf im Nacken, aus der Küche. Das Hämmern kommt von oben und ist inzwischen in einen gleichmäßigen Rhythmus übergegangen. Bumm-Bumm-Bumm-Bumm-Bumm. Und Pause. Dann wieder, fünf- bis sechsmal. Dann wieder Pause.
    »Was zum Teufel …?«, fragt Ilka.
    Leo steigt langsam die Wendeltreppe hinauf. Alina hat Amos auf den Arm genommen und traut sich nicht weiter als bis zum Treppenabsatz. Dort steht sie, den Mund vor Staunen offen. Amos überlegt noch, ob er weinen soll. Ilka steigt Leo hinterher, Leo und den Schlägen über ihrem Kopf. Oben stößt Leo die Türen so vorsichtig auf, als rechne er mit etwas Bedrohlichem, das Ilka sich noch gar nicht vorstellen kann. Solch Zögern passt nicht zu Leo. Was passt hier eigentlich noch zu wem?
    In ihrem freundlichen kleinen Schlafzimmer mit Blick auf den See liegt die Dachbodenleiter quer über dem Bett, dazu eine Menge Schmutz und Staub.
    Das Bett. Sie hat Joshi nicht in diesem Bett bekommen, nicht einmal empfangen, das ist doch

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