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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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gefragt, um was für eine Sache es sich dabei denn handle, traute sich aber nicht, Yildrims Vortrag zu unterbrechen.
    »Es handelt sich dabei um eine Art Clan, angeführt von Sergeij Iljanov.« Wieder erschien ein Foto, diesmal das Porträt eines Mannes in den Fünfzigern mit krausen Locken und wulstigen Lippen.
    »Iljanov verfügt über ausgezeichnete Kontakte in die islamische Welt. Sie wissen ja wahrscheinlich, dass Tadschikistan islamisch geprägt ist.«
    Kluftinger hatte noch nie irgendetwas über Tadschikistan gehört. Er nickte.
    »Gut. Hier haben wir die Spur, die ins Allgäu führt.« Auf der Leinwand war zunächst ein Foto des Selbstmörders zu sehen, das vermutlich von seinem Pass stammte, dann ein Foto des Tatortes. Kluftinger sog pfeifend die Luft ein.
    »Kein schöner Anblick, ich weiß. Leider verliert sich diese Spur hier, dank des beherzten Eingreifens unserer Kollegen«, sagte Yildrim mit ironischem Unterton. Bydlinski wurde wieder etwas kleiner.
    »Ich gehe davon aus, dass sich Schumacher deshalb das Leben nahm, um nicht Gefahr zu laufen, sich und damit die ganze Sache zu verraten. Es wird nun unsere Aufgabe sein, die losen Enden zu verknüpfen. Noch haben wir ein wenig Zeit, aber machen Sie sich keine Illusionen: Es wird verdammt knapp werden.« Er nickte Frau Lahm zu, und das Licht ging wieder an.
    Die Kollegen blinzelten wegen der Helligkeit, aber wohl auch ein bisschen deswegen, weil ihnen das, was da auf sie zukam, nicht geheuer war. Genau wie ihm, dachte Kluftinger.
    Während des Vortrags hatte sich der Kommissar nicht getraut, Fragen zu stellen, nun aber hob er zögernd die Hand. »Entschuldigen Sie, vielleicht ist das eine blöde Frage: Aber diese Waffenschieber, Tadschikistan, der Selbstmörder, internationaler Terrorismus, der Islam und wir hier im Allgäu – ich kann mir da keinen Reim darauf machen.«
    Lodenbacher schnaufte hörbar aus und schüttelte den Kopf. Doch Yildrim nickte. »Eine sehr gute Anmerkung. Vielleicht sollte ich Ihre Frage als Anlass zu einem kleinen Exkurs nützen. Lassen Sie mich die Dinge einmal ganz klar beim Namen nennen: Vermutlich ist es tatsächlich unsere Aufgabe, einen terroristischen Anschlag zu verhindern. Ich sage bewusst ›vermutlich‹, denn diese Dinge laufen so verschachtelt und undurchschaubar ab, dass man das nie sicher wissen kann.
    Moderner Terrorismus funktioniert über sogenannte Zellen, die parallel arbeiten, getrennt voneinander, und doch denselben Auftrag haben. Es gibt nur noch ganz wenige Köpfe, die hinter den Aktionen stecken. Und diese werden natürlich nicht selbst aktiv bei Anschlägen, machen sich nicht die Finger schmutzig. Sie setzen die Richtung fest, die Ideologie, wenn Sie so wollen, geben Parolen aus. Welchen Schluss ihre Sympathisanten daraus ziehen, welche Aktionen sich daraus ergeben, können sie nur erahnen oder mutmaßen.
    Nehmen Sie das bekannteste Terrornetzwerk Al-Qaida: Das funktioniert inzwischen auch ohne Bin Laden. Er hat nur den Startschuss gegeben, indem er 1996 den Dschihad ausrief. Er legt natürlich ideologisch ständig nach, agitiert. Aber rein organisatorisch hat sich alles längst verselbstständigt und aufgesplittert. Und das macht es für uns so ungemein schwierig: Da wir es mit getrennt voneinander operierenden Einheiten zu tun haben, mit Ad-hoc-Koalitionen, Zweckbündnissen von Menschen, die eigentlich nie etwas miteinander zu tun hatten, sind wir wie eine Handvoll Spürhunde, die hinter einem Rudel Wölfe her rennen, das sich plötzlich trennt. Welche Fährte führt zum Ziel? Wir finden das leider manchmal zu spät heraus.
    Das ist die neue Bedrohung unserer Zeit, werte Kollegen, angesichts derer wünscht man sich geradezu den Ost-West-Konflikt zurück. Klare Fronten waren das gewesen. Bei den Sowjets wussten wir, wozu sie in der Lage sind, aber wir kannten ihre Absichten nicht. Die Absichten des modernen Terrorismus kennen wir, aber wir wissen nicht, was er kann. Dieses Zitat stammt übrigens nicht von mir. Jedenfalls macht dieser Umstand den Terrorismus so ungeheuer tückisch. Und fällt eine Zelle aus, übernimmt eine andere und führt den Plan aus. Irgendjemand hat das einmal ›Franchise-Unternehmen des Glaubenskrieges‹ genannt. Deswegen läuft der Countdown« – er zeigte auf den Laptop neben sich – »auch weiter, obwohl sich der Mann umgebracht hat. Und sicher nicht nur auf diesem Computer.«
    Es war mucksmäuschenstill im Raum.
    »Ja, meine Herren, Sie sind zu Recht schockiert. Es

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