Lakefield House (German Edition)
schließlich Elenas letzte Sorgenfalten zu vertreiben. Das hatte sie sich verdient, schließlich war sie wirklich der Überzeugung gewesen, ihre beste Freundin wäre stillschweigend in ein anderes Land gezogen.
„Das ist ja gigantisch!“ Elena stand auf der Terrasse und sah auf den See hinab. Ein Entenpärchen hatte es sich auf dem Steg bequem gemacht, und putzte sich dort. Dann glitt ihr Blick zum Nachbarhaus hinüber, wo Connor McHugh gerade eines seiner Pferde beschlug. „Apropos gigantisch“, fügte sie mit einem süffisanten Lächeln hinzu, und meinte damit nicht den dunkelbraunen Kaltblutwallach. „Ist das der Schmied?“
Rebecca hatte ihr während des Nachmittags von seinem permanenten Hämmern erzählt.
„Ach, hör mir bloß auf!“ Sie rückte das Tischchen gerade und setzte sich. „Wenn du willst, können wir uns auf die Terrasse setzen.“
Da es bereits dämmerte, schaltete Rebecca die Terrassenbeleuchtung, zehn im Halbkreis angebrachte kleine Laternen, an.
Elena war einmal mehr verzückt. Und Rebecca musste ihr Recht geben. Lakefield House hatte eine magische Ausstrahlung, sie bezweifelte, dass James Harrold das jemals aufgefallen war. Ihre Gedanken drifteten wieder zu den seltsamen Geschehnissen. Das Wort magisch kam ihr in diesem Zusammenhang plötzlich unheimlich zutreffend vor.
„Wieso aufhören? Er sieht doch gut aus.“
„Du sprichst doch nicht etwa immer noch von dem Nachbarn.“
„Natürlich. Wäre der nicht was für dich? Das mit Tom ist doch schon seit über einem Jahr vorbei und ohne dir zu nahe treten zu wollen, täte es dir sicherlich gut, mal wieder -“
„Wenn du mit dem Blödsinn nicht sofort aufhörst-“
„Ja, ist ja gut! Du meine Güte.“ Sie machte eine Pause, atmete dann tief ein und nahm einen Schluck Pinot Noir. „Der ist einfach wunderbar.“
„Nur das Beste für die liebe Elena.“ Rebecca streckte die Füße unter dem Tisch aus und sank in das gemusterte Gartenstuhlpolster.
„Sag mal, willst du hier wohnen bleiben, oder ist das nur eine Art Urlaub? Ein Ferienhaus? Ich meine, du hast schließlich fast deinen kompletten Hausstand mitgeschleppt.“
„Ich weiß es noch nicht“, antwortete Rebecca achselzuckend. „Es ist ganz schön hier. Ruhig. Niemand kennt mich und ich habe sogar eine Pizzeria gefunden, die bis hierher liefert.“
Elena stieß ein erstauntes Geräusch aus. „Na, darauf trinken wir!“
„Diese Dörfler sind irgendwie unheimlich. Hier gibt’s bestimmt jede Menge Inzucht“, flüsterte Elena in Rebeccas Ohr, während sie einem alten Mann zunickte, der vor einem zitronengelb gestrichenen Haus saß, und scheinbar nichts besseres zu tun hatte, als die vorübergehenden Leute zu beobachten, während er mit einem Holzstock in einem Schlagloch herumstocherte.
„Wie kommst du denn auf so was?“
„Na, wie der glotzt!“
„Wenn du einen Rock angezogen hättest, der länger als zehn Zentimeter ist, würde er dich bestimmt nicht so anstarren.“ Rebecca hielt nicht viel von Elenas exhibitionistischem Kleiderstil. „Wenn du dich damit bückst, wechsle ich die Straßenseite.“
„Aber er starrt nicht mich an, sondern dich!“
„So ein Blödsinn!“ Rebecca schob die Sonnenbrille auf ihrer Nasenwurzel zurecht. Nicht dass sie sich für ihre violetten Augen geschämt hätte, doch sie wollte keine lästigen Fragen beantworten und konnte die halb neugierigen, halb abgestoßenen Blicke nicht ertragen, die sie noch aus den Grundschuljahren kannte. Es war ihr bis zu jenem Tag gelungen dieses Geheimnis in der Öffentlichkeit für sich zu behalten. In weiser Voraussicht hatte sie Tom einen Ehevertrag unterschreiben lassen, der ihn komplett ruiniert hätte, wenn er ihr Geheimnis preisgegeben hätte.
Die Fassaden der Häuser im Dorf waren farbenfroh gestrichen, teilweise mit Efeu oder Klematis überwuchert und verströmten durch die blühenden Vorgärten einen herrlich sommerlichen Duft. Die Sonne schien stetig vom tiefblauen Himmel ohne die Luft zu sehr zu erhitzen.
Elena und Rebecca spazierten über die schmale, gewölbte Steinbrücke, die die beiden Hälften des Dorfes Dowra verband und höchstens breit genug für ein Auto war. Rechts hinter der Brücke zwängte sich ein kleiner Spar-Markt zwischen zwei Wohnhäuser, den Rebecca bei der Hinfahrt bereits bemerkt hatte. Das Läuten der Türglocke ließ die ältere Dame an der Kasse von ihrer Illustrierten aufsehen und die beiden Kundinnen mit einem freundlichen Lächeln
Weitere Kostenlose Bücher