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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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alles.«
    »Aber warum?«
    Die Ungeduld wuchs in ihm. Er musste weg, so schnell wie möglich, sonst sagte er vielleicht noch etwas, das alles kaputt machen würde.
    »Ich begreife dich nicht. Ich dachte, ich kenne dich, aber jetzt frage ich mich, ob das wirklich so ist.« Carla verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Wir wissen eine ganze Menge voneinander. Ich vertraue dir.« Ralph griff nach Carlas Hand, hob sie mit sanftem Druck an seine Lippen und drückte ihr einen Kuss auf die Handfläche.
    »Geh nicht«, flüsterte Carla.
    »Ich bin bald zurück.« Er ließ sie stehen und lief die Straße entlang, langsam erst, dann schneller, bis er schließlich rannte. Der Wald wartete auf ihn, die Dunkelheit versprach Schutz und Deckung.
    »Ralph, bleib!« Carlas Ruf ließ ihn zusammenzucken, doch er dachte nicht daran umzukehren. Die Pension kam in Sicht. Er tauschte seine Straßenschuhe mit den Laufschuhen und nahm den Weg zwischen den Wiesen. Die Sonne stand tief hinter den Bäumen, aber es war noch hell. Die Steine und die ausgewaschenen Radspuren im Sand des Weges vor seinen Füßen sahen aus wie falsch belichtete Fotografien.
    Er war überreizt, aber warum? Ralph beschleunigte seinen Lauf, bis sein keuchender Atem alle Gedanken verdrängte. Er erreichte den Rand des Waldes. Als er zwischen den Bäumen eintauchte, umhüllte ihn das Schummerlicht wie einen alten Bekannten.
    Es war fast Mitternacht, ehe Ralph den Weg zurückfand. Er machte kein Licht, als er ins Zimmer schlich. Leise zog er sich aus und schlüpfte neben Carla ins Bett. Seine Arme und Beine zitterten noch von der Anstrengung. Er war nie ein Langstreckenläufer gewesen, jetzt spürte er zum ersten Mal, wie befreiend das Laufen sein konnte. Es war ein angenehmer Zustand, der ihm keine Gelegenheit zum Grübeln ließ. Im Handumdrehen war er eingeschlafen.
    Mitten in der Nacht riss Ralph unvermittelt die Augen auf. Sein Puls raste. Er presste die Hände auf die Brust. Durch die Pyjamajacke fühlte er das Schlagen seines Herzens, hart und fordernd. Er horchte in sich hinein. Was, um Himmels willen, hatte ihn aus dem Schlaf geschreckt?
    Dann fiel es ihm ein.
    Er hatte geträumt. Da war eine Stadt gewesen, Häuser, Straßen, und er hatte einen dunklen, eng anliegenden Anzug getragen mit einer Maske, die nur die Augen frei gelassen hatte. Wie eine Katze war er über die Dachfirste gestrichen, den Straßendschungel unter sich. Er hatte Stimmen gehört, tief und guttural. Sie hatten ihn verfolgt, gejagt. Dann war er gesprungen, wieder und wieder. Hinter einer Mauer war er auf dem Boden aufgekommen und schließlich aus dem Schlaf hochgeschreckt, das Adrenalin noch im Blut.
    Es war nur ein Traum, beruhigte er sich. Kein Mensch konnte wie in einem dämlichen Ninja-Film einen Sprung aus zehn Meter Höhe ohne Schaden überstehen.
    Er versuchte, seinen Atem zu kontrollieren. Einatmen, ausatmen, ein, aus, langsam, lass dir Zeit, sagte er sich, doch das Bild der Straßenschluchten wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden.
    Es war so verdammt real gewesen. Als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als auf Dächern herumzuklettern und irgendwelche Verfolger in die Irre zu führen.
    Ralph wandte den Kopf und betrachtete die dunkelhaarige Frau, die neben ihm schlief. Eine Weile wusste er nicht, wer sie war, dann fiel es ihm wieder ein. Carla, seine Freundin.
    Er beobachtete ihre Brust, die sich im Atemtakt hob und senkte. Der Rhythmus beruhigte ihn ein wenig. Wenn nur alles so gleichmäßig wäre. Vielleicht würde er durch Carla seine Ruhe wiederfinden. Doch insgeheim wusste er es besser. Solange er nicht alles über sich selbst in Erfahrung gebracht hatte, würde er nie Ruhe finden. Vorsichtig stand er auf und zog sich an. Er würde jetzt ohnehin nicht mehr einschlafen. Da konnte er ebenso nach draußen ins Freie gehen. Die Nachtluft würde ihn beruhigen.
    Draußen herrschte angenehme Kühle. Das Thermometer war nach dem heißen Tag auf fünfzehn Grad gefallen. Einen Moment stand er einfach nur da und lauschte in die Nacht. In der Ferne bellte ein Hund, ein zweiter antwortete. Dann war es wieder still.
    Ein schwacher Lichtschein drang durch die zugezogenen Vorhänge der Küche auf die Straße. Ralph schaute auf seine Uhr. Zwei Uhr dreißig, die Wirtin musste noch immer zugange sein, eine fleißige Frau. Langsam setzte er sich in Bewegung.
    Helene hantierte in der Küche, während ihr Bruder auf dem Sofa lag. Seit dem Nachmittag schlief Knubbel nun schon. Sie

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