Lakritze - Thueringen Krimi
als er den Anfall hatte. Er hat die Augen verdreht und ist geistig völlig weggetreten. Als ob er in Trance war.«
»Aha.« Ralph nahm seine Lektüre wieder auf. Für ihn war das Thema offensichtlich beendet.
»Menschenskind, Ralph. Sie spielt Knubbels Krankheit herunter.«
Ralph lugte über den Zeitungsrand. »Vielleicht will sie einfach nicht darüber reden. Ich kann das verstehen.«
Carla seufzte. Auch sie band nicht jedem ihre Krankheitsgeschichte auf die Nase, aber Frau Ritter musste schließlich wissen, wie sie Knubbel gestern erlebt hatte. Sie hatte Frau Ritter geholt, als Knubbel seinen Anfall hatte. Da war es nur verständlich, dass sie jetzt erfahren wollte, wie es um ihn stand.
Ralph blätterte die Zeitung um. »Würger in Thüringen hält die Polizei zum Narren. Todesgefahr für junge Mädchen, von C.S. «, las er laut vor.
»Endlich. Zeig mal her.« Carla überflog den Beitrag. »Sie haben alles übernommen, nichts gekürzt.« Bis zuletzt hatte sie gebangt, ob die Thüringer Allgemeine ihren Beitrag überhaupt drucken würde.
Frau Ritter kam mit einem Kännchen Milch in der Hand zurück.
»Haben Sie schon gehört?«, fragte Carla. »Der Mörder hat wieder zugeschlagen.«
Frau Ritter schwankte, mit einem klirrenden Knall zerschellte das Milchkännchen am Boden.
»Um Himmels willen, ich wollte Sie nicht erschrecken.« Carla sprang auf, um die Scherben aufzuheben.
Frau Ritter starrte auf die Milchpfütze und blinzelte. Dann fasste sie sich. »Lassen Sie nur.« Sie bückte sich und sammelte das zerbrochene Geschirr ein. Ihrem Gesicht war nicht zu entnehmen, was in ihr vorging. »Wer …?«
»Wer das Opfer ist?« Erst jetzt fiel Carla auf, dass Feuerbirk ihr weder gesagt hatte, wer ermordet worden war, noch, wo man die Leiche gefunden hatte. Und noch etwas wunderte sie: Offensichtlich hatte er nur ihr gegenüber den neuen Mord erwähnt.
»Da müssen Sie Kommissar Feuerbirk fragen«, sagte sie.
Eine halbe Stunde später brausten Carla und Ralph im Auto die B4 in Richtung Erfurt entlang. Ralph, der am Steuer saß, konzentrierte sich auf die Straße und blieb einsilbig, wenn sie ihn auf die Schönheit der Landschaft aufmerksam machte. Das Ortsschild von Werningshausen flog vorbei, doch Ralph dachte offensichtlich nicht daran, vom Gaspedal zu gehen. Carla klammerte sich am Armaturenbrett fest und redete sich ein, dass Ralph schon wusste, was er tat. Schließlich war er ein guter Fahrer.
Sie las die gelben Wegweiser rechts und links der Straße. Bad Tennstedt, Großrudestedt, Udestedt. Hier endeten alle Ortsnamen gleich.
Gebesee kam, dann Elxleben. Ralph fuhr unvermindert schnell, und Carla war froh, als er wenigstens am Ortseingang von Erfurt das Tempo verlangsamte. Sie folgten dem Parkleitsystem und stellten den Wagen am Domplatz ab.
»Du kannst bummeln gehen, während ich mir die Haare schneiden lasse«, schlug Ralph vor.
»Treffpunkt in zwei Stunden hier auf dem Platz?«
»In Ordnung, dann haben wir noch genug Zeit, um den Dom zu besichtigen. Die Gloriosa ist berühmt.«
»Wer?«
»Die mittelalterliche Glocke, immerhin die größte frei schwingende Glocke, die es weltweit gibt.«
Der Mariendom mit der Severikirche beherrschte den Domplatz. Die Vorstellung, an diesem schönen Tag in die Kühle der Gemäuer einzutauchen, ließ Carla frösteln.
»Vielleicht machst du die Besichtigung lieber allein. Ich würde dich ohnehin nur stören. Wir sehen uns am Nachmittag wieder.«
»Wie du meinst. Sechzehn Uhr?«
»In Ordnung.« Nach einem flüchtigen Abschiedskuss bog sie in die erstbeste Straße ein. Anfangs schritt sie zügig aus, Ralph sollte ruhig sehen, dass sie auch ohne ihn Spaß haben konnte. Nach der ersten Kreuzung jedoch ließ sie sich treiben, schlenderte an Cafés vorbei und landete irgendwann auf dem Platz, an dem das gotisch anmutende Rathaus stand. Ein Straßenschild wies das Areal als Fischmarkt aus.
Carlas Blase meldete sich, und die Toiletten in Rathäusern waren im Allgemeinen öffentlich zugänglich und zudem kostenlos. Sie trat unter den Bogengang und ging durch das geöffnete Portal.
Nachdem sie sich auf der Toilette erleichtert hatte, fühlte sie sich viel besser. Da sie einmal hier war, konnte sie ebenso gut auch gleich das Rathaus besichtigen. Während sie die Treppen zum ersten Stock nahm, bewunderte sie die Wandgemälde, die den Aufgang zierten. Tannhäuser im Hörselberg, Tannhäuser beim Pontifex in Rom, auf dem Weg über die Alpen, von Engeln begleitet auf dem
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