Lakritze - Thueringen Krimi
Ich werde jetzt gehen«, sagte sie.
Feuerbirk verzog keine Miene, dabei hatte sie erwartet, dass er protestieren würde.
»Ich gehe«, wiederholte sie. »Danke für die Einladung.« Sie griff nach ihrer Handtasche.
»Bleiben Sie noch, Carla.«
Na bitte, also doch Protest. Insgeheim freute sie sich darüber. »Wie wollen Sie mich aufhalten? Ich könnte das ganze Lokal zusammenschreien.«
»Das hier?« Feuerbirk zeigte in die Runde. Außer ihnen war nur die Kellnerin im Raum, und die stand am Tresen und tat, als hätte sie nichts gehört.
Carla musste zugeben, dass ihre Drohung lächerlich war. Ihr Vorsatz, sich von Feuerbirk fernzuhalten, damit er sie nicht in Versuchung führen konnte, schrumpfte auf Kirschkerngröße zusammen.
»Okay, was wollen Sie noch von mir wissen?«
»Lassen Sie uns über Ihren Freund sprechen.« Feuerbirks Miene wurde ernst.
»Ist er verdächtig?«
»Sollte er das sein?«
Carla holte tief Luft. »Natürlich nicht.«
»Keine Bange, ich rede nachher in der Pension mit ihm. Ich hätte nur im Vorfeld gern ein paar Informationen über ihn.«
»Und die wären?«
»Als Sie die erste Tote gefunden haben, kam mir Herr Bartwick ziemlich gelassen vor. Er stand abseits und hat ins Tal gestarrt. Die meisten Menschen sind in solchen Situationen aufgeregt, betroffen, auch neugierig. Herr Bartwick war nichts davon, verstehen Sie? Das hat mich irritiert.«
Carla verstand nur zu gut, was der Kommissar meinte. Ralphs Verhalten hatte auch sie verwirrt. Anscheinend war Feuerbirk zu dem gleichen Ergebnis wie sie gekommen, dass mit Ralph etwas nicht stimmte. Aber das konnte sie ihm unmöglich sagen. Sonst dachte er noch, Ralph wäre dieser Mädchenmörder. Ralph war ihr Freund, sie liebte ihn, und sie würde nicht zulassen, dass auch nur der Hauch eines Zweifels an ihm hängen blieb. »Er ist noch krank«, sagte sie.
Dann erzählte sie, was sie von Ralphs Verletzung wusste. »Die Kugel steckte mitten in seinem Kopf. Er hat unheimliches Glück gehabt, dass er überhaupt noch lebt.« Während sie sprach, machte sich Feuerbirk jede Menge Notizen.
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Carla und deutete auf die vollgekritzelten Seiten in Feuerbirks Notizbuch.
»Das weiß ich noch nicht. Aber ich habe eine Ahnung, dass mehr hinter Herrn Bartwick steckt, als Sie glauben.«
»Sie sehen wohl in jeder Person einen Verdächtigen, was?«
»Nur, wenn die Person sich auch verdächtig verhält.«
»Mein Gott, Ralph ist zufällig in diese Schießerei gekommen. Er hatte nichts mit dem Typen zu tun, der die verdammte Sparkasse ausrauben wollte.«
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
Feuerbirks Handy piepste, und er warf einen Blick auf das Display. »Mist, ich muss gehen. Wir sehen uns heute Abend im Waldidyll.«
Er legte einen Geldschein neben den Teller und stand auf.
Ehe Carla sich verabschieden konnte, sah sie sich allein gelassen. Verwirrt blickte sie auf die Öffnung der Eingangstür, durch die Feuerbirk verschwunden war. Sie spielte mit ihrem Glas, während sie verzweifelt nach einer logischen Erklärung für Ralphs Verhalten suchte. Ralph war kein Verbrecher, kein Dieb und erst recht kein Mörder, niemals.
Die Freude an einem Stadtbummel durch Erfurt war ihr vergällt. Sie trank eine Tasse Kaffee, dann noch eine und eine dritte. Ab und zu schaute sie aus dem Fenster auf den Fischmarkt hinaus. Menschen strömten von rechts nach links und umgekehrt. Fremde, mit denen sie nichts zu schaffen hatte. Wenn doch Feuerbirk wieder hier wäre.
Als Carla die fragenden Blicke der Kellnerin nicht mehr ertragen konnte, zahlte sie und ging.
Zur vereinbarten Zeit traf sie am Domplatz ein. Fast hätte sie Ralph unter den anderen Touristen nicht erkannt. Ralph sah wie ein Araber aus. Die kurzen dunklen Haare brachten seine gebogene Nase deutlich zur Geltung. »Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«
»Schneiden und färben lassen.«
»Das sehe ich. Aber warum denn nur?«
Ralph grinste schief. »Mir gefällt es, wie es ist.«
Das war nicht der Ralph, den sie kannte. Vor ihr stand ein Fremder. Carla beschloss, ihm vorerst nichts von ihrem Treffen mit Torsten Feuerbirk zu erzählen.
»Wollen wir zurückfahren?« Ralph legte den Arm um ihre Schulter und zog sie sanft an sich.
Es war, als würde eine Last von ihr genommen. Ralph mochte sich äußerlich verändert haben, doch er hatte immer noch das gleiche Lächeln, in das sie sich zu Beginn ihrer Beziehung verliebt hatte.
ZEHN
Feuerbirk lief die Treppen der
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