Lakritze - Thueringen Krimi
Weineck’sche Mühle war nur für Reisegruppen interessant.
»Lilly wurde im Schlosspark von Sondershausen gefunden. Wissen Sie, was sie dort wollte?«
Viola ließ nicht erkennen, dass sie die Frage gehört hatte. Feuerbirk wartete eine Weile, dann wiederholte er sie.
Sie ließ die Hände sinken und blickte ihn an. »Wenn ich das wüsste …«
»Denken Sie nach. Was könnte Lilly in Sondershausen gewollt haben? Sie waren befreundet, Sie haben beide in derselben Pension gewohnt, gemeinsam Urlaub gemacht, zusammen die Gegend erkundet, diesen Zöllner eingeschlossen. Hat sie während der ganzen Zeit einmal von Sondershausen gesprochen?«
Viola schüttelte den Kopf. Sie hatte wohl beschlossen, ab jetzt zu schweigen, denn sie starrte mit einem verbissenen Gesichtsausdruck vor sich hin.
»Ich würde Ihnen wirklich gerne glauben, Viola, aber …«
»Sie sehen doch, dass Frau Gunder unter Schock steht«, sagte da die Psychologin. »Ich schlage vor, Sie reden morgen noch mal mit ihr. Vielleicht bekommen Sie dann die Antworten, die Ihnen gefallen.«
»Blödsinn, mir ist nicht an gefälligen Antworten gelegen. Ich will die Wahrheit wissen.« Feuerbirk hätte die Psychologin am liebsten aus dem Zimmer geschickt, doch er hatte das untrügliche Gefühl, dass sie ihm Ärger machen würde.
»Wir haben uns gestritten«, sagte Viola leise.
»Das soll in den besten Familien vorkommen.«
»Wenn ich nicht so stur gewesen wäre, würde Lilly vielleicht noch leben. Wir haben den ganzen Tag recherchiert. Die Mühle samt Park besichtigt, im Stadtarchiv gekramt, Notizen gemacht. Ich war müde und froh, als ich mich am Abend ausruhen konnte.«
Kein Wunder. So dünn, wie Viola war, musste sie der schwächste Windhauch umpusten.
»Aber Lilly wollte ausgehen, tanzen. Dabei gibt es hier weit und breit keine Disco. Wir hätten nach Erfurt fahren müssen, das war mir viel zu weit.«
»Sie wollten also nicht mit.«
»Ein Wort hat das andere gegeben. Sie hat gesagt, ich wäre kein Mensch mehr, seit ich diese verdammte Essstörung habe.« Viola begann zu weinen. Die Psychologin machte sich Notizen.
Feuerbirk reichte Viola ein Taschentuch. Das Mädel tat ihm leid. »Ihre Freundin hätte bei Ihnen in der Pension bleiben können. Sie hat selbst entschieden zu gehen. Es ist nicht Ihre Schuld.«
Viola schluchzte. »Ich habe sie in den Tod getrieben.«
»Reden Sie sich doch nicht solchen Unsinn ein.«
»Ich habe gesagt, sie hätte nur Partys im Sinn, Jungs und Drinks. Und dann habe ich verdammte Bitch zu ihr gesagt.« Violas spitze Schultern zuckten in einem grotesken Tanz. Das Mädel heulte zum Gotterbarmen.
Feuerbirk musste zugeben, dass die Kleine nicht gerade nett zu dieser Lilly gewesen war. Kameradschaft sah anders aus, doch wer wusste schon bei den jungen Dingern Bescheid? Heute beste Freundinnen, morgen Erzfeindinnen bis zum Tod. In Lillys Fall war der Tod schneller gekommen, als irgendjemand hätte ahnen können.
»Viola, was, glauben Sie, könnte Ihre Freundin auf die Idee gebracht haben, nach Sondershausen zu fahren?«
Viola hob den Kopf. Unter ihren Augen hatte die Wimperntusche dunkle Schlieren gebildet. »Ich kann mir nur vorstellen, dass sie so schnell wie möglich unseren Streit vergessen wollte.« Sie tupfte sich die Augen ab. Sie schaute zu der Psychologin hinüber.
»Ausgerechnet in Sondershausen?«, fragte Feuerbirk.
»Sondershausen ist näher als Erfurt. Und dann war da ja diese Hochzeit.«
Feuerbirk stutzte. »Moment, wollen Sie damit sagen, Lilly hat von der Feier gewusst?«
»Natürlich, wir waren schließlich schon am Tage dort. Wir wollten etwas essen.«
Warum hatte Viola nicht gleich gesagt, dass Lilly und sie am Mordtag in Sondershausen gewesen waren. Feuerbirk lag ein Fluch auf der Zunge, doch er schluckte ihn hinunter. »Was ist dort geschehen?«, fragte er stattdessen.
»Wie bitte?« Viola runzelte die Stirn.
»Wie war es in Sondershausen? Wann sind Sie angekommen, was haben Sie die ganze Zeit getan?«
»Am Vormittag waren wir in der Landesmusikakademie bei einem Vortrag. Danach sind wir in den Schlosspark gegangen. Es muss kurz vor eins gewesen sein, Mittagszeit jedenfalls. Das Restaurant war zu, eine geschlossene Veranstaltung, diese Hochzeit. Wir haben uns unter die Gäste gemischt.«
Feuerbirk fand es reichlich merkwürdig, dass sich nicht nur Carla und ihr Freund, sondern auch noch zwei weitere unbekannte Leute in eine Hochzeitsgesellschaft drängeln konnten. Die Hochzeiter mussten ziemlich
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