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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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ihn hassen musste. Aber Helene? Er hatte ihr doch geholfen, hatte sie befreit. Und nun dankte sie es ihm, indem sie auf ihm herumhackte.
    »Reiß dich zusammen«, befahl Helene. »Du weißt doch, wohin du kommst, wenn du es nicht schaffst. Oder hast du es vergessen?«
    Oh ja, das wusste er nur zu gut. Helene sagte es ihm schließlich oft genug. Wie konnte er es da vergessen, das Gefängnis.
    Er stellte sich die Zelle vor. Eine weiße Wand mit Gittern vor dem Fenster, wie der Draht vor den Türen der Kaninchenboxen. Im Laufe der Jahre hatte er die Angst davor verloren. Den Kaninchen ging es gut, warum sollte es ihm nicht ebenso gehen? Nein, das Gefängnis war kein Grund, sich zusammenzureißen.
    Helenes Gesicht verschwamm vor seinen Augen und machte einem anderen Platz. Carlas Gesicht, doch auch ihre Züge waberten davon. Ira grinste ihn an, und er hörte wieder ihr Flüstern: »Ich weiß, was du getan hast.«
    Er starrte sie an. »Getan hast, getan hast«, hallte es in ihm wie ein Echo, wieder und wieder, immer lauter.
    Stöhnend presste er die Hände auf die Ohren. Er kniff die Augen zusammen, ganz fest, als könne er damit die Schatten vertreiben.
    »Was ist denn nun? Komm endlich.« Helene zerrte ihn am Arm.
    Knubbel machte sich steif. Geh weg. Verschwinde . Er wollte einfach nur auf dem steinernen Boden des Stalles sitzen bleiben.
    »Mach jetzt bloß keine Sperenzien.« Helenes Stimme wurde schrill.
    Widerwillig ließ Knubbel die Hände sinken, bis sie in seinem Schoß lagen. Helle, große Flecke auf dunklem Stoff. Geistesabwesend öffnete und schloss er sie.
    »Komm.« Helene bückte sich und ergriff seine Hand.
    Er fühlte ihre Haut, warm und weich. Seine Finger rutschten ihren Handballen entlang und schlossen sich um das Gelenk. Sie zog, wollte sich befreien, und er kicherte leise. »Ira, kleine, dumme Ira. Dein Hals ist so dürr.«
    »Knubbel!«
    Der Schrei brachte ihn zur Besinnung. Als hätte er sich verbrannt, löste er den Griff. Helene kniete vor ihm und schluchzte.
    »Du musst sie endlich vergessen.« Helene streichelte ihn. »Lattkowitz, Ira und auch Fräulein Lilo. Sie sind weg, sie können dir nichts mehr tun.«
    Knubbels Mund war trocken. Seine Zunge fühlte sich wie Sandpapier an, rau lag sie zwischen seinen Zähnen. Er schluckte einige Male.
    »Ich habe sie gesehen«, flüsterte er. »Sie war hier, im Stall. Fräulein Lilo, sie ist zu mir gekommen, weil sie mich gernhat. Sie hat mich nicht vergessen. Ira hat gelogen.«
    Helene schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Haare flogen. »Du hast dich getäuscht. Das war nicht Fräulein Lilo, das war Carla Schreiber, unser Gast in der Pension. Du hast ihr die Kaninchen gezeigt.«
    Knubbel runzelte die Stirn. Stimmte es, was Helene sagte, oder log sie ihn auch an? Wie all die Jahre, in denen die dürre Ira immer wieder aufgetaucht war? Ira, die doch tot im Steinbruch liegen sollte?
    »Ich habe gesehen, was ich gesehen habe.« Er würdigte Helene keines Blickes, als er aus dem Stall stapfte.
    »Knubbel!« Sie rappelte sich auf und eilte ihm nach.
    Er war bereits am Haus und wollte gerade die Treppe zu den Gästezimmern hinaufgehen, als Helene ihn einholte.
    »Knubbel, warte.« Außer Atem hängte sie sich an seinen Arm. »Du kannst nicht zu ihr.«
    »Ich muss.«
    »Tu es nicht, du stürzt uns ins Unglück.«
    Helene tat ihm plötzlich leid. Sie war nicht böse, sie machte sich Sorgen, nur deshalb log sie ihn an. »Ich werde Fräulein Lilo sagen, dass ich sie liebe«, murmelte er und stieß Helene zurück.
    Aber sie stolperte ihm nach. »Bitte, hör auf mich. Lass sie in Ruhe. Sie ist nicht Fräulein Lilo, sie heißt Carla.«
    Knubbel presste die Hände auf seine Ohren. Sollte Helene doch jammern und lügen, was kümmerte es ihn? Er hatte ein Ziel, auf das er viel zu lange gewartet hatte.
    »Knubbel, ich will, dass endlich Schluss ist«, schrie Helene.
    Sie wollte also auch, dass die Qual endete. Knubbel war auf einmal so froh zumute. Er lächelte glücklich und drehte sich zu ihr um. Sanft umarmte er sie. »Ich rette uns«, wisperte er ihr ins Ohr.
    Helene entwand sich ihm. Beschwörend sah sie ihn an. »Frau Schreiber ist nicht Fräulein Lilo, und die dürre Ira ist verschwunden.«
    Das stimmte nicht, Ira verfolgte ihn noch immer.
    »Du bist verrückt«, sagte Helene. »Du brauchst einen Arzt.«
    »Kein Arzt.« Heiße Wut schoss in Knubbels Bauch. Er hetzte die restlichen Stufen hinauf und den Gang entlang bis zu Carlas Zimmertür.
    Doch Helene war

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