Lakritze - Thueringen Krimi
bist. Sei einfach mein Freund.«
Drei Stunden später wusste Ralph alles, was der BND über ihn festgehalten hatte. Er war hin- und hergerissen. Er fühlte sich leer, Sarahs Tod quälte ihn. Aber gleichzeitig war er froh, sich an sie zu erinnern. Ihr Lachen und die Art, wie sie ihn morgens nach dem Aufwachen angesehen hatte. Das alles war ihm wieder gegenwärtig. Auch Afrika, Libyen und die Wüste. Als Jürgen aus der Akte vorlas, hatte Ralph Gesichter vor Augen gehabt. Menschen, die ihm geholfen hatten, Kontaktleute. Er hatte eine Vergangenheit, und er wusste um sie.
Carla, er musste es ihr sagen, ihr alles erzählen. Er schaute zu Jürgen und bemerkte dessen aufmunternden Blick. Hastig erhob er sich. »Danke für alles, aber jetzt muss ich gehen. Zu Carla, du verstehst? Wir sehen uns später noch. Irgendwann.« Er gab Jürgen die Hand.
Der erwiderte seinen Händedruck. »Bist du in Ordnung?«
»Keine Sorge, ich komme zurecht.«
»Melde dich. Lass mich wissen, wie es dir geht.«
Jürgens Worte wärmten Ralph noch, als er längst im Auto saß und über die Landstraße raste.
Es war bereits dunkel. Dichte Wolkenberge verdeckten den Himmel. Die Scheinwerfer des BMW machten Einzelheiten aus der Umgebung sichtbar – hier einen Straßenbegrenzungspfosten, da einen Baum. Der Lichtkegel erfasste einen Fuchs. Ralph stieg auf die Bremse, der Wagen schlingerte, doch Ralph konnte ihn abfangen. Das Tier schnürte davon. Glück gehabt, dachte Ralph und meinte nicht nur sich. Mit quietschenden Reifen bog er schließlich auf den breiten Seitenstreifen, der die Straße vom Waldidyll trennte, ein. Der Kies spritzte, als er zum Stehen kam. Er stieg aus und streckte sich. Er hatte gar nicht bemerkt, wie verkrampft er hinter dem Steuer gehockt hatte. Das Strecken tat ihm gut. Er schaute zu den Fenstern hoch. Sie waren dunkel. Erst jetzt fiel ihm auf, wie still es war. Als wäre das Haus nicht bewohnt.
Eine ungute Ahnung überfiel ihn. Er zögerte kurz, dann schüttelte er sie ab. Was sollte in den paar Stunden, in denen er in der Klinik gewesen war, schon passiert sein. Mit langen Schritten nahm er die Stufen zur Eingangstür.
ZWANZIG
Feuerbirk fingerte an einem Streichholz herum. Er lechzte nach einer Pfeifenfüllung, doch im Büro war Rauchen strikt untersagt. Na und, vielleicht war er demnächst ohnehin nicht mehr hier. Ohne lange zu zögern, stopfte er sich seine Pfeife und setzte sie in Gang.
Es waren noch keine zehn Minuten vergangen, da hatte er einen dicken Anschiss gefangen. Statt neugierige Journalistinnen mit Fakten zu versorgen, die dann in der Tagespresse zu lesen waren, solle er endlich den Fall zum Abschluss bringen, hatte Patzke gefordert. Feuerbirk hatte widersprochen, ein Wort hatte das andere gegeben, bis sie sich am Ende angeschrien hatten.
Er ging zum Fenster seines Büros und holte den Aschenbecher, den er hinter den Lamellen der Jalousie versteckt hielt. Das Streichholz, mit dem er sich die Pfeife angezündet hatte, gesellte sich zu den anderen, die schon im Ascher lagen. Es waren vier Stück. Seine Tagesbilanz.
Das Telefon klingelte. Seine Mutter war am Apparat. Nein, auch heute würde er nicht zum Essen kommen. Nein, die Frau, mit der sie ihn gesehen hatte, war nicht seine neue Freundin.
»Junge, du versteckst dich.«
»Quatsch, wie kommst du auf einen solchen Unsinn?«
»Ich finde es sonderbar, dass du es mir nicht sagst, wenn du eine Neue hast.« Seine Mutter schien keine Antwort zu erwarten, sie redete bereits über ihren Bridgeabend.
Feuerbirk schluckte. Er versteckte sich ganz und gar nicht. Und leider war Carla wirklich nicht seine Freundin. Aber Mütter redeten sich gern etwas ein, seine war da keine Ausnahme.
Er hielt den Hörer so weit wie möglich von sich gestreckt. Nach einigen Minuten fragte er vorsichtig: »Bist du endlich fertig?«
Ein Tuten antwortete ihm. Mutter hatte aufgelegt.
Zagemann polterte ins Zimmer und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Du siehst aus, als hättest du Ärger gehabt?«, sagte er.
Einen Moment lang glaubte Feuerbirk, Zagemann meinte den Anruf seiner Mutter. Dann ging ihm auf, dass er auf den Streit mit dem Chef anspielte. »Was sich nicht alles herumspricht.«
»Die Wände der Direktion haben Ohren.«
Augenscheinlich wusste schon jeder über den Streit Bescheid, selbst Zagemann, der den ganzen Tag unterwegs gewesen war. Feuerbirk saugte an seiner Pfeife. Heller Rauch kräuselte sich nach oben.
»Du
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