Lakritze - Thueringen Krimi
Vorgesetzter.«
»Was sollte ich als Künstler beim BND wollen? Das müssen Sie mir erklären.« Ralph schaute zu dem Bild, das in einem besonders grellen Rot gehalten war. Wüste in der Mittagsglut, so hatte er es genannt.
Kellerbach holte einen schmalen Ordner aus einer Aktentasche, die zwischen seinen Füßen stand. »Ihr Name ist Ralph Mahrmann. Sie wurden am 5. Juli 1961 in Kassel geboren. Keine Geschwister, Ihr Vater ist vor zehn, Ihre Mutter vor sechs Jahren verstorben. Sie haben eine abgeschlossene Berufsausbildung als Informatiker. Ihr Studium haben Sie mit Bestnote abgeschlossen.« Kellerbach machte eine Pause. »Ihre Künstler-Identität ist fingiert.«
In Ralphs Kopf summte es. Die Träume, die er hatte, die Ahnungen. Sie waren echt. Er war also nicht verrückt.
»Sie waren Spezialagent, einer unserer Besten. Wir konnten Sie in den gefährlichsten Krisenregionen einsetzen, in Afrika zum Beispiel.«
»Libyen«, flüsterte Ralph.
Kellerbach nickte. »Sie erinnern sich also.«
»Nur in Bruchstücken.«
»Libyen war Ihr letztes Einsatzgebiet. Es gab da gewisse Vorfälle. Wir mussten Sie abziehen.«
»Welche Vorfälle?«
»Es gab Tote, bei denen man die Spuren verfolgen konnte.« Kellerbach zögerte einen Moment, dann fuhr er fort. »Die Hinweise haben zu Ihnen geführt.«
Ein Gesicht formte sich vor Ralphs Augen. Sarah, die dunkelhäutige Krankenschwester mit einem Gesicht, das dem von Kleopatra ähnelte.
»Ich habe sie nicht umgebracht«, sagte er leise.
»Ich rede nicht von der Frau. Wir kennen Ihre Geschichte. Sarah Reza war Ihre Geliebte. Bevor Sie kamen, war sie mit Aschraf al-Hajujdem, einem Arzt, befreundet. Sehr eng sogar, und als er verhaftet wurde, ist auch sie ins Visier der Ermittler geraten. Es hieß, sie soll für den Mossad gearbeitet haben. Ich erspare Ihnen die Einzelheiten. Wenn Sie wieder stabiler sind, können Sie alles nachlesen.« Kellerbach tippte auf den Ordner. »Sie sind mit ihr geflohen, doch Gaddafis Spürhunden konnten Sie nicht entkommen. Sarah Reza wurde ermordet. Zum Zeichen, dass man sie für eine Verräterin hielt, hat man ihr kochendes Öl in den Mund gegossen.«
Ralph meinte, wieder Sarahs verbranntes Fleisch zu riechen. Damals hatte er begonnen, Lakritzbonbons zu essen. Der Süßholzgeschmack war das Einzige, womit er Sarahs Geruch übertünchen konnte.
Kellerbach schlug die Beine übereinander. »Daraufhin haben Sie einen persönlichen Rachefeldzug gestartet. Sie haben drei von Gaddafis Leuten erwischt, danach waren Sie gefürchtet in ganz Nordafrika. Iblis, der Teufel, so hat man Sie genannt. Es entstanden Legenden um Iblis, denen wir Einhalt gebieten mussten.« Er hob die Hände. »Wir konnten unmöglich länger tatenlos zusehen. Die Gefahr, dass Sie eines Tages in den Folterkerkern Gaddafis landeten, war zu groß.«
»Wie rührend.«
»Die Beziehungen zwischen Deutschland und Libyen sind ein Drahtseilakt. Wir durften nicht zulassen, dass sie sich verschlechtern.«
Ralph starrte Kellerbach an.
»Wir haben Sie zurückgeholt, Mahrmann. Doch es war zu spät. Die Bluthunde waren Ihnen bereits auf der Spur. Wir mussten Ihnen eine neue Identität verpassen.«
»Afrika, Libyen. Warum ausgerechnet ich?«, fragte Ralph leise.
»Ursprünglich wollten wir einen dunkelhäutigen Mann für die Mission, aber wir haben keinen passenden gefunden. Sie waren die zweite Wahl, und ich muss sagen, wir haben richtig gewählt. Sie haben einen guten Job gemacht. Zumindest, bis Sie Sarah Reza kennengelernt haben.«
Ralph zuckte zusammen, und Jürgen legte ihm die Hand auf den Arm. Sarahs Name schmerzte, doch der Schmerz war dumpf, als wäre er unter einer dicken Watteschicht versteckt. »Wie habe ich gelernt, in Afrika zu leben?«, fragte er.
»Es gab ein paar Dinge, an die Sie sich halten mussten. In Walnussöl baden, um eine dunkle Haut zu bekommen, Haare färben, braune Kontaktlinsen tragen. Dinge, die Sie arabisch aussehen lassen. Sie haben gute Voraussetzungen mitgebracht.«
»Das sind Äußerlichkeiten, Ich meinte alles andere.«
»Ich weiß, was Sie meinen. Dazu komme ich gleich.« Kellerbach schlug den Ordner auf, heftete ein Blatt aus und reichte es Ralph.
Ralph überflog die Seite. »Spezialausbildung in Zürich, ein Camp in Louisiana, Unterricht bei Muttersprachlern in Berlin und Hamburg.«
»Ihre Vorbereitung war intensiver als die anderer Agenten.« Kellerbach nickte.
Ralph hätte ihm am liebsten die Faust ins Gesicht gerammt. »Trotzdem haben Sie mich im
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