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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Venske
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Kriminelle, was ihnen, wenn sie nicht in der Politik Unterschlupf gefunden haben, eine auskömmliche Existenz als Kläger, Verteidiger, Richter und Versender von Mahnschreiben garantiert. Das bedeutet aber auch, dass diese Juristen nicht oder nur sehr selten in der Lage sind, als gewöhnliche Lallbacken mit komischen Äußerungen, sprachlichen Entgleisungen, logischen Purzelbäumen oder einfach mit verbalem Schrott in Erscheinung zu treten. Wenn sie das doch tun, und sie tun es, wie häufig genug versichert wird, stoßen sie auf allgemeines Unverständnis.
    Das gehört auch zum juristischen Berufsbild: Das ständige Debakel, dass man bei Nicht-Juristen mit keinem einzigen Witz Gelächter auslösen kann. Die einzig wirklich große Ausnahme war immer Edmund Rüdiger Stoiber, von dem alle Welt zu Unrecht raunte, er sei einer von diesen legendären Einser-Juristen: Eine schlichte Drei ist es gewesen, und sein ganzes verkrampftes Leben lang hat er den Eindruck zu erwecken versucht, besser zu sein als diese Zensur.
    Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zumindest hat sich zwei Mal so ausgedrückt, dass man sie verstand im Land. Beim ersten Mal wurde deutlich: Frau Minister war gegen Sterbehilfe. Keine Frage: Sie hatte Angst vor ihren Verwandten.
    Beim zweiten Mal wagte sie sich an einen Vergleich. Das war schon immer heikel, und das Vergleichsniveau in Deutschland sank ja auch von Tag zu Tag, immer nach dem Muster: »Nelson Mandela hat wegen seiner Ansichten im Gefängnis gesessen und ist dort seinen Ideen treu geblieben. Bald nach seiner Entlassung wurde er Regierungschef und hat den Staat radikal umgemodelt. Trotz aller inhaltlichen Unterschiede – bei Hitler ist es in etwa genauso gelaufen …«
    Die Nazigrößen wirkten schon arg abgenutzt vom vielen Vergleichen, und das Fernsehpublikum wartete eigentlich nur darauf, dass in der Werbung Hitler mit einem herkömmlichen WC-Reiniger oder Göring mit einem »Mensch-ist-der-Dickmann« verglichen werden. Herta Däubler-Gmelin nun zog ausgerechnet den amerikanischen Präsidenten George W. Bush in ihr Vergleichsraster. Ungebremst die Weltpolitik deutend, ballerte sie: »Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat schon Hitler so gemacht.«
    Ach Herta, du dummes Mädel, du – war es nicht so, dass Hitler innenpolitisch beklagenswert wenig Schwierigkeiten hatte? Und wissen wir nicht längst, dass man in Deutschland kaum innere Schwierigkeiten hat, wenn man Nazi ist? Viel durchschlagender wäre es gewesen, wenn Frau Däubler-Gmelin gesagt hätte: »Das hat schon Göring so gemacht.« Denn Hermann Göring war wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse – das hat Altkanzler Kohl festgestellt. Und gegen Wolfgang Thierse hatte Mr. Bush nichts. Wegen ihres Vergleichs Hitler/Bush musste Lallbacke Herta Däubler-Gmelin als Justizministerin zurücktreten, und so ganz zutreffend war der Vergleich ja auch wirklich nicht, denn der eine hatte nur einen Papptruthahn, der andere aber hatte lebende Schäferhunde.
    Also, wenn in einer Konversation jemand die moderne Welt mittels historischer Vergleiche ordnen will, empfiehlt es sich, einfach aufzustehen und rauszugehen. Sonst läuft man Gefahr, sich anhören zu müssen: »Also, wenn ich Angela Merkel sehe, da fällt mir immer Margot Honecker ein; ich weiß zwar nicht genau, wieso, aber die Damen stammen ja immerhin aus dem gleichen Milieu, oder?«
    In der Politik nützt es wenig, stets hilfreich, edel und gut zu sein. In Politikerkreisen ist es auch immer eine Frage des Bekanntheitsgrades, ob einen eine Äußerung aus dem Amt kegelt oder nicht. Justizministerin Brigitte Zypries zum Beispiel, die immerhin jeder Siebente kannte, ist mit heiler Haut davongekommen, als sie mal Klartext redete. Im Streit um das Antidiskriminierungsgesetz hieß es, sie habe sich im Ton vergriffen: Als die Union ein Sonderrecht für die Kirchen verlangte, damit diese keine Mitarbeiter fremder Konfessionen einstellen müssten, sei die Ministerin ausgerastet und habe gezischt: »Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen geht mir am Arsch vorbei!«
    Der Abgeordnete Norbert Geis aus Aschaffenburg, der sich im letzten Jahrhundert als Lallbacke oft jenseits aller Grenzen des Limits und darüber hinaus artikuliert hatte, zeigte sich über die »unglaubliche Entgleisung« der Ministerin unglaublich enttäuscht, wohingegen ein bisschen anspruchsvollere Menschen gewiss hoch begeistert gewesen wären, wenn Brigitte

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