Lallbacken
Zypries als Spitzenlallbacke noch hinzugefügt hätte: »Die Kirchen können mich mal am Arsch lecken, und zwar kreuzweise!« Schade, es ist Frau Zypries vermutlich nicht rechtzeitig eingefallen.
Ob Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zu einem solchen Ausspruch im passenden Augenblick fähig gewesen wäre, kann man nur hoffen. Aber es ist unwahrscheinlich. Wenn alle Politikerinnen und Politiker wären wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wäre dieses Buch ungeschrieben geblieben. Sie verweigert sich, wenn es darum geht, auch mal als Lallbacke in Erscheinung zu treten. Dabei war sie schon dabei, als 1996 Kohls »großer Lauschangriff« zu Fall gebracht wurde, und danach war sie dann als Justizministerin im Kabinett Kohl zurückgetreten. Sie sträubte sich gegen die Verlängerung der deutschen Antiterrorgesetze und verlangte die Auflösung des Militärgeheimdienstes MAD. Und was die umstrittene Vorratsdatenspeicherung betraf, da machte sie ihr Meisterstück: Bürgerrechtlerin Leutheusser gehörte einerseits zu den Beschwerdeführern gegen das Gesetz und zog vor Gericht. Andererseits vertrat sie als Bundesjustizministerin den Antrag der Bundesregierung, die Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz als unzulässig und unbegründet abzuweisen. Es handelte sich also um eine Klage Leutheusser gegen Schnarrenberger. Sabine ist ein in seiner Schwere äußerst interessanter Fall.
Als das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Vorratsdatenspeicherung bekanntgab, nannte die Gewerkschaft der Polizei das Urteil eine »schallende Ohrfeige« für den Gesetzgeber. Der Kinderschützer Heinz Hilgers sagte zum Karlsruher Hartz-IV-Urteil: »Das Karlsruher Urteil ist für Sozialpolitiker aller Couleur eine schallende Ohrfeige.« Während FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger in dem Urteil eine »schallende Ohrfeige für Rot-Grün« sah, nannten Linkspartei und Paritätischer Wohlfahrtsverband das Urteil eine »schallende Ohrfeige« für die Bundesregierung. Ohrfeigengesichter unter sich. Schallende Ohrfeigen waren schon immer der einzig angemessene Umgangston. Jedes Urteil ist für irgendwen eine schallende Ohrfeige. Das Bundesjustizministerium ist zuständig für schallende Ohrfeigen.
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Finanzministerium: Eines Tages wird Geld nichts mehr kosten
Die Deutschen lieben ihren Staat. Sie nennen ihn sogar »Vater« Staat. Und die Deutschen lieben ihr Steuersystem, sie lieben jedes Detail, denn die Steuergesetzgebung ist in vielen Jahrzehnten gewachsen, und sie wird liebevoll gepflegt. So ein Steuersystem, das kann man nicht einfach reformieren. Das steht unter Denkmalschutz. Und deswegen haben sich die Deutschen auf Bundesebene ein Bundesfinanzministerium zugelegt, zuständig für Bundesforstverwaltung, Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Bundesvermögensverwaltung und Bundeszollverwaltung und die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. So eine Spitzenbehörde kann nur von Spitzenkräften geleitet werden.
Der erste, der sich im dritten Jahrtausend vergeblich daran versuchte, war Hans Eichel, die Büroklammer der Herzen. Der zweite, der scheiterte, hieß Peer Steinbrück. Der dritte Versager ist Wolfgang Schäuble.
Diese drei Herren widerlegen das Vorurteil: Politik verdirbt den Charakter. In die Politik gehen nur Leute, die einen entsprechend konditionierten Charakter haben. Und deswegen kann man Eichel/ Steinbrück/Schäuble sowie alle Finanzminister aller Zeiten und aller Länder als Personalunion betrachten und abhandeln. Jeder von ihnen redet vom Sparen. Wenn dann mal einer reklamehalber in öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, weiß man sofort: Der denkt überhaupt nicht ans Sparen.
Jeder potentielle Finanzminister versucht der Wählerschaft einzureden, er könne den Armen geben, ohne den Reichen zu nehmen. Kaum war Herr Schröder zum Kanzler gewählt und hatte seinen Finanzminister ernannt, stieg der Brotpreis. Dafür wurden in anderen Ländern die Verantwortlichen schon mal an die Laternen gehängt. Teurer wurden auch Zahnersatz und Dienstwagen, Tierfutter, Brennholz, Erdgas und Kondome. Schnürsenkel wurden merkwürdigerweise nicht teurer, aber Blumensträuße und bildende Kunst. Künstler, angewiesen auf öffentliche Museen und private Sammler, mussten plötzlich mit erheblichen Einkommensausfällen rechnen. Offenbar hatte man sich in der Regierung daran erinnert, dass die besten Maler auch immer die
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