Lallbacken
aufpassen, sogar beim Wasser. Alles wurde von der öffentlichen in private Hände verschoben und sollte dem Kommerz, dem Aufschwung und dem Wachstum dienen. Wenn die Preise und Gebühren nicht genug hergaben, wurde aus öffentlichen Haushalten in jeder gewünschten Höhe dazugebuttert. Niemand hat ernsthaft den Versuch unternommen, das zu unterbinden.
Und weil der Staat kaum noch Tafelsilber besaß, wollte er immer mal wieder an die Autobahnen ran. Die Autobahnen waren ja die deutschen Bodenschätze. Während andere Länder Gold, Gas und Erdöl förderten, produzierte Deutschland einen Kilometer Autobahn nach dem anderen und legte ihn in die Landschaft. Es ergab ja wirklich keinen Sinn, dass der Staat diese Fahrbahnen hortete, während internationale Firmen nur darauf warteten, sie zu kaufen. Auch wenn ein Investor eine Fabrik baute, wurde die weitgehend über Steuerermäßigungen, Lohnverzicht und Infrastrukturvorleistungen von den Steuerzahlern finanziert.
Durch diese Praxis wurde der Staat im Lauf der Jahre immer ärmer, schob beträchtliche Schulden vor sich her, und seine Verdienstund Einnahmequellen wurden immer weniger. Kein Wunder, dass viele Menschen der Ansicht sind, der Staat könne nicht mit dem ihm anvertrauten Geld umgehen. Da bleibt nur ein Trost: Opel, Porsche, Hypo Real Estate, Commerzbank und andere können es auch nicht.
Es sind vor allem die Verbraucher und abhängig Beschäftigten, die den Staat finanzieren. Die Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon. Ganz generell gilt, dass vor allem die Konsumenten für den Staat zahlen, indem sie unter anderem Mehrwertsteuer, Energiesteuer, Lottosteuer, Tabaksteuer oder Versicherungssteuer blechen. Die Steuern auf Gewinne und Einkommen hingegen sinken beständig. Das liegt an den vorzüglichen deutschen Geldwaschanlagen – Liechtenstein, Monaco, Bermudas, Zypern, Kaimaninseln, Andorra und der lieblichen Schweiz, wo jeder Bankangestellte wahrheitsgemäß »Hehler« auf seine Visitenkarte schreiben kann. In diesen sogenannten Steueroasen lautet die allseits gültige Bankerfaustregel: Wer nicht kriminell ist, macht sich strafbar. Und die staatstragende Philosophie dieser Länder besagt: Ein Wirtschaftslenker, der nicht die Kreativität aufbringt, bei uns so viele Steuern wie möglich zu hinterziehen, der ist auch nicht vertrauenswürdig. Also: Jeder sollte so viel verdienen, dass er in der Lage ist, Steuern zu hinterziehen.
Und das gilt selbstverständlich auch für reiche Schweizer, die ihre Steuern mit Hilfe grenznaher deutscher Banken hinterziehen. Wenn sich sein Vermögen im Ausland steuerfrei vermehrt, dann ist der Unternehmer gut gelaunt, und das verbessert das Betriebsklima.
Um diese menschenfreundlichen Zustände zu beenden, hat ein deutscher Finanzminister mal angeregt, vor der liechtensteinischen Küste zur Abschreckung ein paar Flugzeugträger auffahren zu lassen. Den Einwand, Liechtenstein sei kein Wassergrundstück, konterte die Regierung mit dem Hinweis, Deutschland habe ja auch keine Flugzeugträger. Letztlich stellte sich heraus, es kam den Staat billiger, in der Schweiz oder in Liechtenstein die eine oder andere CD mit den Namen von Steuerhinterziehern zu kaufen.
Finanzpolitiker waren stets in diversen Teufelskreisen gefangen. Ein Bundesfinanzminister erklärte, die Unternehmen bräuchten dringend finanzielle Entlastung. Zugleich beteuerte er, in die Staatskasse würden dann zusätzliche Steuermilliarden fließen, weil die Unternehmen bei niedrigeren Steuersätzen künftig zahlungsbereit seien. Das soll dem Finanzminister mal einer nachmachen: Ein und dieselbe Firma zahlt dann sowohl mehr als auch weniger Steuern. Ein Mirakel!
Mit dickem Ministergehalt und Anspruch auf üppige Pensionen ausgestattet, saß Finanzminister Steinbrück breitärschig auf Usedom und empfahl aus dem Urlaub heraus dem deutschen Volk: »Wir müssen im Zweifel auf eine Urlaubsreise verzichten, um für später vorzusorgen.« Das war zwar eine Glanzleistung politischer Blödheit, doch gemach: Die Formulierung des Ministers ließ Spielraum für Interpretationen. »Wir müssen im Zweifel auf eine Urlaubsreise verzichten,« sagte er. Okay, dass die Arbeitslosen in den Bars von Marbella rumhängen oder mit dem Speedboat vor Palm Beach kreuzen, ohne an ihre Altersversorgung zu denken, das musste aufhören. Andererseits: Die Urlaubsbranche ist keine kleine – wird weniger gereist, kann das Jobs kosten, und das mindert dann wieder die
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