Lallbacken
»Ich kenne keine Bundesregierung in der Vergangenheit, die so offen und so dreist die wirtschaftlichen Interessen eines kleinen Teils der Wirtschaft vertreten hat wie die jetzt amtierende.« Lallbacke Gabriel hatte recht. SPD-Regierungen haben das auch gemacht. Aber lange nicht so offen.
Marktwirtschaft ist der Tarnname für ein System, das außer Angebot und Nachfrage keine Regeln kennt, also Kapitalismus. Und der sollte reguliert werden. Wie machte man das – den Kapitalismus regulieren?
Um die Scheiße mit ein wenig Wohlgeruch olfaktorisch aufzupeppen und um die Bewegungsfreiheit des Kapitals zu stabilisieren, setzten sich die acht führendsten Staatschefs der acht wichtigsten Industrienationen regelmäßig an ihrem G-8-Stammtisch zusammen, und dieses Treffen war ein wichtiges Treffen, weil in der globalen Welt nichts wichtiger war, als dass die acht führendsten Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen sich trafen, um sich mit den acht führendsten Staats- und Regierungschefs zu treffen. Und dieses Treffen der acht führendsten Staatschefs der acht wichtigsten Industrienationen der Erde fand statt auf Anweisung der führendsten Konzerne der wichtigsten G-8-Staaten. Kanzlerin Merkel vertrat die Allianz Group, US-Präsident Bush Wal-Mart und Exxon, Putin sprach für Gasprom, der Japaner für Toyota und so weiter – jeder der führendsten Staatschefs wurde von bedeutenden Unternehmen seines Landes gesponsert.
Im Mittelpunkt der Gespräche über Wachstum und Wirtschaft standen bei den Gesprächen über Wachstum und Wirtschaft die Gespräche über Wachstum und Wirtschaft, damit die Weltwirtschaft von heute im Mittelpunkt der Weltwirtschaft stand, und um es gerade auch den armen Ländern zu ermöglichen, durch die Förderung der Weltwirtschaft das Wachstum zu fördern, denn das Wachstum wuchs, weil Wachstum einzig und allein durch Wachstum zu mehr Wachstum führen konnte.
Das Ergebnis des Gipfels war: Auf dem Wochenmarkt in Hamburg kostete im Juli ein Kilo Kirschen aus dem Alten Land 6,50 Euro und eine Flug-Ananas aus Costa Rica 1,75 Euro.
Dass, wenn von der deutschen Wirtschaft die Rede ist, auch die Wirtschaftsminister Erwähnung finden, ist eigentlich unnötig und nur mit purer Höflichkeit zu erklären.
Der erste, den Kanzler Schröder als Minister für Wirtschaft und Arbeit in die Berliner Konjunktursonne stellte, und darüber freute sich vor allem Nordrhein-Westfalen, war Wolfgang Clement. Der kündigte im Bundestag an, er werde »zügig die Überprüfung der Arbeitnehmerrechte vornehmen«. Klar, die Arbeitgeberrechte interessieren einen SPD-Wirtschaftsminister weniger.
Karl Kraus hatte 1929 den Typus Wolfgang Clement folgendermaßen beschrieben: »Nun gibt es ja auf Erden unter allen Lebewesen, die sich nach rechts und links zugleich krümmen, nebst dem Regenwurm nichts annähernd so Erbärmliches wie einen Rechtssozialisten.«
Herr Clement verschleierte seine wirtschaftspolitischen Bildungslücken mit einer Rhetorik, die sich am deutschen Mittelgebirge orientierte. Ging es steil abwärts, sah er Licht am Ende des Tunnels. Blieb es dennoch finster, wusste er sich nahe der Talsohle. Sah er das Schwarze unter seinem Fingernagel, meldet er einen Silberstreif am Horizont, und sprach er davon, dass die Wirtschaft über den Berg sei, dann verschwieg er, dass es von dort nur noch bergab gehen konnte. Eines sonnigen Wandertages verkündete Herr Clement: »Das Tal der Tränen ist durchschritten. Es geht endlich wieder aufwärts.«
Aber was kam nach dem Tränental? Es konnte der Sumpf der Gastritis oder die Wüste des Schluckaufs oder der kahle Forst des sauren Aufstoßens sein. Und wenn der Wirtschaftswandergeselle die Hochebene der Vernunft nicht fand und im Dickicht der Phrasen landete – dann konnte er nur noch ins Unterholz der verbalen Fürze flüchten. Dort ließ er dann alle Hoffnung fahren. Auch die auf einen sinnvollen Gedanken mitsamt adäquater Formulierung. Stattdessen behauptete Lallbacke Clement in den Tagesthemen : »Nein, das ist nicht die Wahrheit, das ist die Tatsache.«
Mittlerweile ist er aus der SPD ausgeschieden. Ausgeschieden – das ist ein hässliches Wort, aber es passt. Beruflich muss man sich keine Sorgen um Herrn Clement machen. Er ist ja auch nicht wirklich ausgeschieden. Über eine Agentur kann man Lallbacke Clement für Betriebsfeiern und Familienfeste als Kotzbrocken buchen …
Nachfolger von Lallbacke Clement war Michael Glos. 88 Prozent der
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