Lallbacken
an den alten Werten. Und durch diesen Scholz-Text wird die SPD in die Literatur eingehen. Das heißt, eingehen wird sie – ob aber in die Literatur, das muss man abwarten.
Von Ende Oktober bis Ende November 2009 bewältigte Franz Josef Jung als Nachfolger von Olaf Scholz das Amt des Bundesarbeitsministers. Das war bis dato die kürzeste Amtszeit eines Ministers in der Bundesrepublik Deutschland. Jung trat als Minister für Arbeit und Soziales zurück, weil er als Verteidigungsminister die Kunduz-Affäre verbockt hatte.
Liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben an dieser Stelle eine Leerzeile Platz, um ihre persönlichen Erinnerungen an Lallbacke Jung einzutragen:
Frau von der Leyen, die nichts so sehr liebt, wie den Unterschied zwischen arm und bettelarm zu vergrößern, beerbte Franz Josef Jung als Ministerin für Arbeit und Soziales. Mit Ursula von der Leyen entdeckte die Union die Sozialpolitik wieder. Die fruchtbare Uschi verkörpert – wie früher Norbert Blüm im Kohl-Kabinett – das soziale Gewissen der Union. Besonders hoch entwickelt war das ja noch nie.
Ministerin von der Leyen, stets lächelnd, aber streng, ist zweifellos eine Frau, die barfuss Funken schlagen kann, und ihr Hosenanzug ist das Ausgeh-Outfit der christlichen Sozialgesetzgebung: Wo immer Frau von der Leyen eine Rede hält, ist Gefahr im Anzug. Sie hatte sich lange von dem Bildungschip in ihrem Kopf Gedanken machen lassen, und schließlich war sie darauf gekommen: Hartz IV war ein Erfolgsmodell, weil es bei Jobbörsen, Gerichten und in Anwaltskanzleien viele Arbeitsplätze sicherte. Denen, die Hartz IV ein wenig reformieren und den Betroffenen zusätzlich ein paar Cent zustecken wollten, entgegnete Frau von der Leyen: »Warum hier mehr Geld ausgeben ohne Not?« Hartz IV musste nach ihrer Meinung nicht aufgebessert, sondern nur umbenannt werden: »Es ist ein absolut wünschenswertes Ziel, dass auf Dauer das Wort Hartz IV verschwindet. Der Begriff ist so negativ besetzt, dass er eine differenzierte gesellschaftliche Debatte über Langzeitarbeitslosigkeit behindert.«
Am liebsten wäre ihr wohl »Ursula-von-der-Leyen-Diät« gewesen, aber auch »Gerhard-Schröder-Stipendium« war annehmbar, wohingegen »Enthungerungsgeld« doch recht bürokratisch klang. Bislang wurde nichts dergleichen realisiert, und auch der Von-der-Leyen-Einfall, Hartz IV in »Basiskohle« umzutaufen, fand keine Gegenliebe. Wie man überhaupt feststellen muss: Wenn es um die konkrete gesetzliche Ausgestaltung des Schönredens ging, gelangen ihr die Bruchlandungen am besten.
Zur Bruchpilotin Uschi avancierte sie beim Gesetz über Internetsperren für pornographische Seiten: Von nun an nannte man sie allgemein »Zensursula«. Kritiker sahen in ihrem Zugangserschwerungsgesetz eine Maßnahme, die Tätern eher nützte als schadete, die aber gleichzeitig zu massiver Einschränkung der Grundrechte führen konnte. In der Auseinandersetzung eierte die Ministerin rum, man müsse »weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann.«
Was »das richtige Maß« sein sollte, hätte die Ministerin gern selbst festgelegt – als ehemalige Berufstochter und Profigattin, die ohne familiäre Connections nirgends aufgefallen wäre, als mediengeile Provinzpolitikerin mit Powerfrau-Attitüde, die über eine große Portion Stammtischprosa, aber kaum Kompetenz verfügte, hielt sich Lallbacke von der Leyen für befähigt, als Gesinnungsgouvernante durchs Land zu tingeln. Sogar die Bundesregierung sah ein, dass Zensursulas Zugangserschwerungsgesetz allenfalls im Rahmen der Privatsphäre der Familie von der Leyen gelten durfte, und der Bundespräsident hatte sich ohnehin geweigert, den Schwachsinn zu unterzeichnen.
Equal Pay, gleicher Lohn bei gleicher Arbeit für Vollzeitleiharbeiter und Vollzeitstammkräfte, war ein weiteres Thema, das Frau von der Leyen dringend bewältigen wollte, aber auch das überforderte sie. Hinter ihrem Gesetz gegen den Missbrauch der Leiharbeit verbarg sich nur eine Luftnummer. Die Arbeitgeber stellten ihre Ministerin sofort wieder ins Glied: Zeitarbeit sei ein unverzichtbarer Bestandteil der Personalpolitik, und bei einem stabilen Aufschwung werde zeitversetzt auch die Zahl der Stammarbeitsplätze wieder wachsen. Die Forderung nach gleicher Bezahlung sei
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