Lallbacken
daher »undifferenziert.« Die Zeitarbeit habe vielen An- und Ungelernten einen Arbeitsplatz verschafft, die sonst kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätten.
Wie vielen bitte genau? Und können diese so vom Glück begünstigten ehemaligen Ungelernten nun von ihrem Lohn leben? Keine Antwort. Vom Anwachsen der Stammarbeitsplätze hatte auch niemand etwas gehört. Der unvermeidbare Arbeitgeberpräsident Hundt prophezeite, die Unternehmen würden den Equal-Pay-Grundsatz unterlaufen und versuchen, »durch Auswechseln der Zeitarbeitnehmer mit dem Problem fertig zu werden«. Damit bestätigte Lallbacke Hundt die Befürchtungen, Unternehmen könnten Leiharbeitnehmer nur für die geplante Einarbeitungszeit anheuern und sie austauschen, sobald für sie das Recht auf gleichen Lohn galt.
Bliebe noch anzumerken: Auch das viel bemühte Wort vom »Sprungbrett« erwies sich als Floskel. Denn gerade einmal sieben Prozent der ehemals Langzeitarbeitslosen, die als Leiharbeiter tätig wurden, schafften es, langfristig in eine feste Beschäftigung zu wechseln.
Aber es ist abzusehen, dass den Unternehmen ihre Habsucht und Einsparungshysterie schmerzhaft auf die Füße fallen wird: Großraumbüros und Poolbildung bei Redakteuren und Sekretärinnen zum Beispiel gab es schon mal in den 1970er Jahren. Der Erfolg war eine miese Qualität der Produkte und dadurch ein schlechterer Verkauf. Am Zeitschriftenmarkt ist es abzulesen, was es bewirkt, wenn man bewährte Mitarbeiter rauskantet und den Hinterbliebenen die Freude an der Arbeit versaut.
Ausgleichshalber wollte sich Frau von der Leyen wenigstens bei den Frauen einen schlanken Fuß machen und verlangte in barschem Ton von den Unternehmen, sie sollten gefälligst in ihren Führungsetagen eine Dreißig-Prozent-Frauenquote einführen. Als sich rumsprach, dass von ihren vier Staatssekretären und ihren zwei Bundesbeauftragten der Frauenanteil bei null lag, legte sie das Thema zügig beiseite.
Und schließlich war auch ihr Prestigeobjekt »Bildungspaket statt Erhöhung des Kinder-Regelsatzes« für bedürftige Kinder nicht gerade ein Riesenhit – es musste schon nach kurzer Zeit nachgebessert werden, da das bürokratische Monster alle Betroffenen überforderte.
Die knapp zwanzig Prozent der Hartz-IV-Eltern, die sich laut Umfrage für ihr Bildungspaket »nicht interessieren«, nannte die Ministerin einen »harten Kern,« als ginge es um eine Terroristenvereinigung. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als der pauschale Missbrauchsvorwurf gegen Arbeitslose: Die kaufen sich vom Kindergeld doch sowieso nur einen Flachbildschirm. Auf dem Gebiet ist die Ministerin etwa genauso vorurteilsfrei wie die Bildzeitung . Indem das Ministerium so tat, als sei das Ausfüllen eines Antrags ein entscheidender Beleg für gesellschaftliches Engagement und müsse deshalb unbedingt beibehalten werden, wollte man davon ablenken, dass es vor allem darum ging, den Betroffenen keinesfalls Geld in die Hand zu drücken, die Kontrolle derer, die man sowieso schon im Computer hatte, zu perfektionieren, der Arbeitnehmerschaft mal wieder den drohend erhobenen Zeigefinger zu zeigen, und außerdem, dass man die Schuld, wenn das Bildungspäckchen nicht bei den Kindern ankam, den Eltern in die Schuhe schieben konnte.
Vielleicht hat die Lallbacke von der Leyen ja eines Tages mehr Glück, wenn sie im Rahmen einer Agenda 2020 Sozialhilfeempfänger ermuntert, Hotelketten zu gründen und bis zu 100 000 Euro pro Jahr an die FDP zu spenden, um eine noch effektivere Sozialgesetzgebung durchzusetzen.
»Ich fordere ein generelles Bettelverbot auf öffentlichen Plätzen (…) Die traditionelle Kultur des Bettelns in unserer abendländischen Gesellschaft hat in einem Sozialstaat keine Berechtigung mehr. Diese Bettelei ist Belästigung und Nötigung.« Ex cathedra der Bildzeitung beschlossen und verkündet von Peter Hahne, dem geistlichen Schmuckstück der Witwe Springer und des ZDF. Auf deren Tickets verkündete diese Edelausgabe eines pharisäerhaften Frömmlers seine tief besinnlichen, christlichen Erkenntnisse. Für Obdachlose, Herr Hahne, gibt es keinen Sozialstaat: Ohne Bleibe keine Sozialleistung – und umgekehrt: ohne Sozialleistung keine Bleibe. Der Obdachlose muss gezwungenermaßen unter der Brücke in einen Pappkarton kriechen oder in einen Schlafsack im Kaufhauseingang, wenn Mangel an Schlafplätzen oder mitfühlendem Personal in kirchlichen oder städtischen Einrichtungen herrscht. Und nur weil es
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