Lallbacken
Sehnsucht nach einem Führer, der uns alle integriert in die deutschnationale Arbeitsfront, wo das Fremde ausgesondert wird, für den Sieg im globalen Weltmarktkrieg. Und was den angeblich besten Freund betrifft: Franz Josef Wagner hat einen Freund? Das kann man sich gar nicht vorstellen. Aber jeder anständige Nazi hatte auch immer einen guten Juden zum Freund.
Zwischendurch meldeten sich dann auch mal die Grünen, die auf eine tolle Idee gekommen waren: Ein »Sofortprogramm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit« – das lief irgendwie darauf hinaus, dass man Leuten Geld geben wollte, wenn sie arbeiteten. Sie nannten es Kombilohn.
Pofalla, bei dem Normalität als professionelle Fehlleistung zutage tritt, meinte, Kombilohn sei eine gute Idee, hier müsste halt der Staat den Unternehmen unter die Arme greifen, um Minderqualifizierte wettbewerbsfähig einstellen zu können. Der Staat sollte also einspringen, um Unternehmen zu subventionieren. Hanswurst Pofalla ging also davon aus, dass immer mehr Jobs entstanden, wenn sie nur billig genug waren. Niemand zweifelte daran: Lallbacke Pofalla ließ sich doppelt so oft die Haare schneiden, wenn der Friseur nur halb so viel kostete, und in einem Restaurant verputzte er doppelt so viel, weil zwei Kellner an seinen Tisch kamen.
So töricht war Franz Müntefering nicht. Er folgte Ulla Schmidt, nannte sich aber Bundesminister für Arbeit und Soziales. Das war sogleich spürbar. Niemand im ganzen Land dachte noch an die Dotcom-Blase und die jugendlichen Turbounternehmer der IT-Branche, die wenige Jahre zuvor mit ihrem Neuen Markt und mit sogenannter intelligenter Technologie Hunderte von Unternehmen von der kleinsten Softwareklitsche bis zu Mannesmann zerlegt hatten. Aber dann kam Franz Müntefering, der große Flachzangenmetaphoriker, und nahm Rache an der Jugend.
Weg mit dem Wohnkostenzuschuss, sagte er, im Kinderzimmer, in dem sie es fast ein Vierteljahrhundert ausgehalten haben, können sie ruhig noch ein Weilchen bleiben, das schweißt die Familie zusammen, das Leben bei Mami und Papi ist ziemlich billig, meinte er, da konnte man getrost die üppigen Hartz-IV-Zuwendungen für junge Nichtstuer kürzen, anpassen, optimieren, zum Beispiel 276 statt 345 Euro. Wenn Müntefering der Jugend schon keine Lehrstellen und Arbeitsplätze liefern konnte, wollte er ihr wenigstens Sanktionen anbieten, und irgendwie war es nur gerecht, dass neben der von Landwirtschaftsminister Seehofer wegen der Vogelgrippe verkündeten Stallpflicht für Geflügel auch wieder die Stallpflicht für Jugendliche eingeführt wurde.
Andererseits wusste jeder: Eine der größten Landplagen der Zeit waren die Rentner. Ihre einzige Funktion: Sie hielten nur durch ihre Existenz die große bürokratische Maschine des Rentenversicherungsunwesens am Laufen und sicherten dadurch viele Arbeitsplätze. Es war dem mentalen Höhenflug des damals erst 66-jährigen Franz Müntefering zu verdanken, dass die ganze Nation erst mit 67 in Rente gehen sollte. Das hieß, die Renten wurden gesenkt, denn wer 24 Monate später in Rente ging, bekam auch 24 Monate weniger Rente. Wenn man nun noch bedachte, dass achtzehn Minuten Mehrarbeit pro Tag von vielen für zumutbar gehalten wurden – das ergab in einem 45-jährigen Arbeitsleben weitere eindreiviertel Jahre Mehrarbeit. Man könnte also sagen, die Lebensarbeitszeit sollte auf 68 Jahre plus 9 Monate erhöht werden. Ohne Lohnausgleich. Und es sprach eigentlich nichts dagegen, das Rentenalter noch weiter anzuheben. Rente ab 75 – bei der ständig steigenden Lebenserwartung war auch das noch sozialverträglich. Die Alternative zur Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre gewesen, das Begräbnisalter runterzusetzen.
Franz Müntefering erklärte auf Befragen: »Es wird ja niemand gezwungen, mit 67 in Rente zu gehen.« Auf fragende Blicke hin schob er nach: »Mein Vater musste mit 62 aufhören zu arbeiten. Der hat dann den Garten zwölf Mal umgegraben. Mein Vater wusste nicht, was er sonst machen sollte. Aber das hat dem Garten nicht gut getan.« Solche Jugenderlebnisse haben bekanntlich nachhaltige Wirkung. Wollte Müntefering deswegen möglichst lange im Amt bleiben? Das war auf jeden Fall gut für seinen Garten.
In der Rentendiskussion erhob auch der Präsident des Sozialverbandes VdK – Lallbacke Walter Hirrlinger – drohend seine Stimme: »Wer meint, Rentner zu Sparschweinen der Nation machen zu können, wird sich die Finger verbrennen.« Das klang überzeugend. Denn wer
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