Lallbacken
»Kontrollen vom Stall bis zum Teller« aus. Gute Idee – auf den Tellern der Bürgerinnen und Bürger fanden bislang wirklich zu wenige Kontrollen statt.
Dann griffen die Vereinten Nationen ein. Die UN stellten fest: »Der Planet ist nur zu retten, wenn wir weniger Fleisch essen.« Da bezog die mittlerweile zuständige Ministerin Ilse Aigner aber bayerisch Stellung: »In katholischen Gegenden wie Oberbayern, wo ich herkomme, gibt es seit eh und je den fleischlosen Freitag. Ich esse viel Obst und Gemüse, dazu Fisch, Geflügel und gerne auch Fleisch.« Erfahrungsgemäß hieß das: Am Freitag gibt’s mittags Fisch, sonst jeden Tag Fleisch, und so prachtvoll sah die Ministerin auch aus. Und dann fügte sie noch an: »Aber ich will den Menschen keine Vorschriften machen.«
Diese nette Frau, gefangen zwischen Marktradikalen und industrieller Agrarlobby, konnte einen mit ihrer bescheidenen dörflichen Herkunft schon rühren. Nur ihre Beteuerungen, für alle am Markt Beteiligten gelte Qualität als höchstes Ziel, war ein wenig hausbacken naiv. Alle, die sich in irgendeiner Form mit Ernährung befassen, wissen: Oberstes Ziel der Marktteilnehmer ist die Gewinnmaximierung und sonst gar nichts. Hinter all den Skandalen steht immer die Maxime, aus Dreck Lebensmittel und aus Lebensmitteln Geld zu machen. Der Verkauf von Abfall und verwesenden Altlasten entspricht der kapitalistischen Geschäftsordnung. Das gilt für den Fleischmarkt ebenso wie für das Fernsehen, wo man den Zuschauern auch gern ranzige Produkte mit überschrittenem Verfalldatum andreht.
Also – wenn ein Rind, das auf gerodeter Regenwaldfläche gemästet wird, billiger ist als die Kuh von nebenan, wenn nur das im Massenstall gezüchtete Turboschwein noch einträglich abzusetzen ist, wenn klamme Kommunen Kontrolleure wegsparen und am Wohl des Fleischhändlers vor Ort mehr interessiert sind als an den Kontrollen, wenn nicht mehr herauszuschmecken ist, ob das Fleisch vergammelt ist, weil sein Geschmack durch Gewürze zugedeckt ist, und wenn Fleischkonsum und Köpergewicht steigen, während die Preise fallen: Dann hilft nur noch Sauce. Viel Sauce mit viel Sahne.
Natürlich gibt es immer auch Menschen, die denken: Wir dürfen in Genossin Rindvieh oder Kamerad Schwein nicht nur die Mahlzeit, wir müssen in ihnen auch den Mitmenschen sehen. Diese Menschen essen vor allem Grünzeug, gelegentlich auch mit Sprossen. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange sie sich vor den darauf lauernden Ehec-Erregern schützen, also nur Lebensmittel essen, die man gut erhitzen kann, Dosenravioli beispielsweise, und beim Gemüse darauf achten, dass es nicht vegetarisch ist. Das Wissenschaftsmagazin Apotheken Umschau berichtete, Kinder, die einen höheren Intelligenzquotienten haben, würden später öfter Vegetarier als Kinder, die so blöde sind, dass sie bei Milchschnitte die Verpackung mitessen. Das hieß: Vegetarier sind eindeutig klüger! Deshalb war ja auch Adolf Hitler bis ins hohe Lebensalter einer der klügsten Köpfe seiner Zeit.
Irgendeine Art von Verbraucherschutz, nicht nur vor der Lebensmittelindustrie, sondern auch vor der Energieindustrie, der Pharmaindustrie und vor allem der Finanzindustrie, also vor all diesen Einrichtungen, die rund um die Uhr Beweise dafür liefern, dass sie schon lange völlig durchgeknallt sind, konnte das Ministerium noch nie bewirken. Am Schutz der Verbraucher ist das zuständige Ministerium nicht interessiert. Das könnte ja die Interessen der Banken und des Finanzministeriums beschädigen.
Außerdem: Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner war für die Kontrolle der Lebensmittel und des Futters gar nicht zuständig: Die war Sache der Länder. Frau Aigner konnte in ihrer Amtszeit also gar nicht viel machen gegen die organisierte Verantwortungslosigkeit. Sie tat nur so, als ob sie das könnte – genauso wie alle ihre Vorgängerinnen und Vorgänger. Es wäre zweifellos das Beste, die Politik würde ihre Machtlosigkeit eingestehen, das Ministerium würde aufgelöst und Lallbacke Aigner würde sich vom Acker machen.
Im übrigen kümmern sich achtzig Regierungschefs, 250 Minister und Vertreter von 650 Nichtregierungsorganisationen oft mehrere Tage hintereinander um all diese Probleme – sie treffen sich beispielsweise in Rom zu einem Welthunger- oder auch Ernährungsgipfel. Die Gipfel werden eröffnet mit einem opulenten Festessen, und das Catering an den Folgetagen ist auch nicht schlecht. Am Schluss verabschieden alle zusammen eine
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