Lamarchos
Überempfindlichkeit eine weniger abschleifbare Herausforderung zu bieten. „Der Pariajunge”, sagte sie leise. „Wir müssen ihn zu seinen Leuten zurückbringen.”
Maissa zischte und machte einen kurzen Rückwärtsschritt, wippte auf die Fußballen vor, wie eine zum Zuschlagen bereite Schlange. „So?”
„Er muß geradewegs zu ihnen gebracht werden.”
„Wir stecken unsere Finger dafür ins Feuer?” Vor Zorn und Kälte zitternd, zuckte sie mit dem Daumen zu dem zusehenden Jungen hin.
„Wenn du Frieden und Ruhe willst, dann bringen wir den Jungen zurück. Tun wir das nicht, bekommen wir alle Ärger.”
Maissas Nasenflügel blähten sich. „Zieht ihm ein Messer durch die Kehle; verscharrt ihn im Dreck, gann gibt’s kein Problem mehr.” Ihre Hände rieben an ihren Armen auf und ab. „Dieser verdammte Klumpen Scheiße.” Sie zitterte stärker. „Je früher wir wegkommen …”
„Wenn du es auf diese Art machst, hast du ein weiteres Problem.”
Aleytys’ Stimme war kühl und forsch, ließ Maissa im wachsamen Ducken des Jägers herumfahren. Sie richtete sich auf und funkelte Aleytys an.
Sie strich mit einer sanften Hand über den Flaum des Sprechers, dann nickte sie zu dem Jungen hin. „Mich. Du wirst auch mich erledigen müssen. Ich werde nicht dabeistehen und zusehen, wie der Junge umgebracht wird. Das werde ich nicht.”
„Du!” Während sie die Lippen zu einem verächtlichen Hohnlächeln schürzte, das teils mehr Zähnefletschen war, glitt ein unverschämter Blick über Aleytys, vom Kopf bis zu den Füßen und dann wieder hinauf. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme heiser, und die Worte kamen in klaren, rauhen Silben. „Dreckige, kleine Made?
Du drohst mir? Phah!”
Sie federte herum und sprang auf den Jungen zu, der nur dastand und die Furie angaffte, die sich auf ihn stürzte. Das Gesicht in einer schrecklichen Verbindung von Wut und Mordlust verzerrt, die Hände zum tödlichen Schlag erhoben, war sie ein kreischendes Todesgeschoß. Sie stieß sich von Stavver ab, der zwischen sie und ihr Opfer gesprungen war. Mit einer schnelleren Bewegung, als Aleytys ihn je seinen langen, hageren Körper hatte verlagern sehen, raste er an ihr vorbei, als sie aus dem Gleichgewicht torkelte, und schlang drahtige Arme um sie. „Leyta”, knurrte er, „bring deine verdammte Magie in Gang!”
Das Diadem erklang, floß in geisterhaftem Glanz über das blauschwarze Haar, während in ihrem Schädel bruchstückhafte Bilder von kühlen, wachsamen, schwarzen Augen verschwommen am Rande des geistigen Blickfeldes aufflackerten und Verwirrung und heißhungrige Neugier auslösten. Ihr Körper bewegte sich, zuerst behäbig, dann schneller, sicherer - mit einer Sicherheit, die sie verblüffte und erfreute. Zum erstenmal, seit das Diadem ihren Körper beherrschte, war sie nicht vollkommen beiseite geschoben, nicht nur hilflose Gefangene in ihrem eigenen Schädel. Sie teilte die übertragene Geschicklichkeit, und das Vergnügen, das sie dabei empfand, verstärkte die Verwirrung, die in ihrem Kopf kreiste. Stavvers angespanntes, Maissas haßverzerrtes Gesicht - sie reflektierten die geisterhaften Funken der aus dem Juwelenzentrum der Diademblüten flackernden Farben. „Laß sie los!”
Ihre Stimme klang ihr fremd, als strebe sie zu einem dröhnenden Bariton, eine Oktave unterhalb ihrer normalen Stimmlage.
Stavver nickte. Er ließ Maissa los, wobei er sie grob nach vorn stieß, während er mehrere Schritte zurücksprang.
Mit einem Kreischen ließ Maissa ihre Hand in einem Dreifingerschlag nach Aleytys’ Kehle vorzucken; aus ihrer Geringschätzung für das, was sich ihr entgegenstellte, machte sie sich nicht die Mühe, sich zu decken. Aleytys fegte die Hand beiseite, ein harter Schlag, riß ihre Faust herum, so daß zwei Knöchel gegen die Kiefer-Hals-partie krachten; die kleinere Frau stieß ein schmerzvolles Knurren aus. Maissa fiel zurück, kam auf dem Boden auf, wirbelte in einer schnellen Rolle herum, die sie angriffsbereit wieder auf ihre Füße brachte.
Sobald der Schlag vollführt war, warf Aleytys ihren plötzlich geschmeidigen Körper zurück, bereit, falls nötig, erneut anzugreifen.
Maissa kreiselte herum, suchte aufmerksam nach Schwächen in Aleytys` Deckung; sie fand keine, das Licht ihrer Augen erkaltete zu einem widerwilligen Respekt. Schließlich, ein wenig zu schnell atmend, glitt sie außer Reichweite und ließ ihre Hände sinken; fasziniert starrte sie auf das schimmernde Diadem, das
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