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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Kleeaugen angezogen werden. Und, ja, sie ist in der Nähe, und sie kommt immer näher, während du immer stärker wirst und die Sonnenwende naht. Sie wird gar nicht anders können, als sich in deiner Gegenwart zu manifestieren, wenn der Schleier am dünnsten ist.«
    Was für ein furchteinflößender Gedanke. Eilig schob ich ihn beiseite. »Bedeutet das, dass auch Luke Dillon zu mir hingezogen wurde? Du weißt, wer er ist, oder?«
    Thomas’ Blick war grimmig, was so gar nicht zu den Lachfältchen um seine Augen passte. »Der Galloglass der Königin? Jeder weiß, wer er ist. Nein, er lebt nicht im Feenreich, also wird er auch nicht verdorben wie die anderen Menschen dort. Wir leben bei den Feen, damit wir nicht sterben, aber so ziehen wir uns auch ihre Schwächen zu. Luke Dillon braucht nichtunter ihnen zu leben, um jung zu bleiben, so wie ich – er kann nicht altern.« Seine Miene war bekümmert. »Es geht das Gerücht, er sei in dich verliebt.«
    Ich schluckte.
    »Und du in ihn. Das ist ein aussichtsloses Spiel, Kind.«
    »Ich habe es mir nicht ausgesucht.« Meine Stimme klang unabsichtlich frostig. »Ich habe mir auch nicht ausgesucht, so ein … Kleeauge zu sein. Das ist verdammt unfair, wenn du mich fragst. Ich bin nicht scharf darauf, zu sterben, also raubt sie meinen besten Freund und Luke? Ist das vielleicht fair?«
    Thomas legte sich ins Gras, so dass er sich auf Augenhöhe mit einem der Hunde befand, der geduckt in den Ring starrte. Mittlerweile waren sie viel deutlicher sichtbar als vorher. »Mach mir keine Vorwürfe. Ich bin nur ein Gelehrter.
Sie
hat mir bereits auf die Finger geklopft, weil ich in einer Angelegenheit auf Leben und Tod nicht ihrer Meinung war. Es gibt einen Grund dafür, dass ich hier in einem Ring aus Pilzen sitze und mich mit ihrer jüngsten Erzfeindin unterhalte, statt an ihrem Arm zu hängen und sie anzuhimmeln.«
    Frustration wallte in mir auf. »Aber was ist mit meinem besten Freund? Wird
sie
ihn nur gehen lassen, wenn ich sterbe?«
    Tom tippte mit dem Finger gegen die leere Luft des Kreises, die leise klirrte, als bestünde sie aus Glas. Auf der anderen Seite winselte der Hund und schlug mit der Pfote nach dem Finger. »Der Pfeifer mit dem Dudelsack? Der ist zu gut für diese Welt. Ein so guter Pfeifer kann Aufmerksamkeit von der falschen Sorte erregen. Es gibt Schlimmeres als Feen. Ich habe mehr als eine Fee murmeln hören, dass er tot ohnehin besser dran wäre.«
    »Das wäre er
nicht!
«, fuhr ich auf und spürte, wie meine Finger zu zittern begannen. Die unterbewusste Anstrengung, den Feenring geschlossen und die Hunde draußen zu halten,erschöpfte mich zu schnell. Ich wusste nicht, wie lange ich sie noch würde abhalten können.
    Toms Miene war mitfühlend. »Es tut mir leid, Kind, aber sie kann dich nicht am Leben lassen. Du stellst ihre ganze Existenz in Frage, und durch deine Menschlichkeit bist du ihr sogar überlegen. Eine von euch muss sterben, um diesem Kampf ein Ende zu bereiten.«
    Ich starrte ihn an und versuchte, das zu begreifen, während ich zitternd die Arme um meinen Oberkörper schlang. Das hörte sich so kitschig und abgedroschen an:
Eine von uns muss sterben. Diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide.
    Ich konnte die Hunde nicht länger draußen halten. Ohne den Mond über mir war ich einfach nicht stark genug.
    »Und wo wir gerade bei der Wahrheit sind«, fügte Tom ernst hinzu, »es wäre mir lieber, es trifft sie.«
    Mir blieb nur ein Augenblick, um zu verstehen, was er gemeint hatte, denn plötzlich brachen die unsichtbaren Mauern des Feenrings zusammen. Eine Flut von Hunden ergoss sich nach drinnen, begrub Tom unter sich und drängte sich an mich.
    Der Geruch nach Thymian war überwältigend.

Achtzehn
     
     
     
     
     
    Nicht nur der Druck der Hunde machte den Zusammenbruch des Rings unerträglich. Es war der Frost ihres Fells auf meiner Haut, der erstickende Geruch nach Kräutern und Klee, vor allem aber das Heulen der Mastiffs und das schrille Gekläffe der Windhunde:
Unsere Beute, unser Wild, wir haben es gestellt.
    Der Jäger schritt durch die Meute, und die Hundeleiber teilten sich wie Wasser. Im Lärm der Hunde kam er lautlos auf mich zu. Ich verstand ihn kaum, als er sagte: »Ruhe.«
    Augenblicklich verstummten die Hunde. Es war so still auf dem Hügel, dass ich das Summen von Autoreifen auf der Straße unten hörte. Ich hätte um Hilfe rufen können, aber wozu? Der Fahrer hätte doch nur mich allein auf dem Hügel gesehen.
    Der Jäger

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