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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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rissabrupt das Kinn zurück. »Ich kann mir selbst alles Mögliche beibringen, indem ich Bücher lese oder jemand anderem dabei zusehe. Aber wie soll ich etwas
hierüber
lernen? Soweit ich weiß, gibt es keine Bücher über Freaks wie mich.«
    »Ich mache dich immer wütend.« Luke schüttelte den Kopf. »Sogar in deinen Träumen schaffe ich es, dich wütend zu machen.«
    Ich sah ihn wieder an. Sein Gesicht war blass und müde, und in seinen hellblauen Augen spiegelte sich das Licht der Mondvögel. Er sah so verletzlich aus, so
menschlich
. Ich erschauerte. »Ich habe Angst, ich könnte Mist bauen und euch beide verlieren.«
    »Du musst auf dich vertrauen. Du brauchst niemanden, der dir sagt, was du tun sollst.«
    Vielleicht stimmte das. Vielleicht war ich bereit für die Unabhängigkeit, die ich mir so sehr gewünscht hatte. Ich barg das Gesicht in den Händen.
    Er legte die Finger um mein Handgelenk. »Du kannst alles tun, was du willst, weißt du noch? Komm, verabschiede dich von mir, denn ich weiß nicht, ob wir uns wiedersehen werden.«
    Abrupt hob ich den Kopf und sah die Tränenspur auf seinen Wangen, ehe er mich an sich zog und mich leidenschaftlich küsste. Ich schlang ihm die Arme um den Nacken und hielt mich an ihm fest, während er mich immer wieder küsste und sich die schimmernde Spur auf seiner Wange mit meinen Tränen vermischte.
    Ich dachte, der Traum würde dort enden. Doch Luke zog mich mit sich ins Gras und schmiegte den schlanken Körper fest an mich. »Leb wohl, hübsches Mädchen.«
    Über mir stimmten die Vögel im Mond ein unheimliches, einsames Lied an. Dutzende von Stimmen sangen eine Totenklage mit einer fremdartigen Melodie. Ich erwachte.

Neunzehn
     
     
     
     
     
    Wach auf, Mädchen, die Sonnenwende ist da.«
    Ich öffnete die Augen und blickte zum Himmel hinauf. Der Mond war ein Stück weitergerückt als in meinem Traum, aber ansonsten sah der Himmel unverändert aus. Meine Haut war klamm, mir knurrte der Magen, und obwohl von Tom nichts zu sehen war, war ich nicht allein.
    Drei Feen, so groß wie Kleinkinder, saßen zu meinen Füßen und beobachteten mich. Sie waren nackt bis auf Blumenketten, die sie wie Schärpen über einer Schulter trugen. Sie hatten das Gras um mich herum ausgezupft und auf meine Beine gestreut, und als ich mich aufrichtete und meine Jeans abklopfte, lachten sie.
    Dabei verzogen sie auf so niedliche Weise die Gesichter, dass ich auch grinsen musste. »Sehr raffiniert«, erklärte ich.
    Sie quiekten vor Vergnügen, sprangen auf und zogen an meinen Händen. »Steh auf, steh auf und tanz mit uns.«
    Ich wusste nicht recht, wie ich höflich ablehnen sollte.Aber ich hatte schon von Menschen gehört, die sich beim Tanz mit Feen verloren hatten. Ich bemühte mich, mir meinen Argwohn nicht anmerken zu lassen. »Ihr tanzt, und ich schaue zu.«
    »Du bist so klug und hübsch«, sagte eine der Feen und berührte voller Ehrfurcht mein Haar. »Wir möchten, dass du mit uns tanzt. Wir wollen dich tanzen sehen.«
    Sie erinnerten mich tatsächlich an Kinder – kleine Kinder, die noch keine Moral kannten. Ich streckte die Hand aus. »Ich möchte auch ein paar Blumen haben.«
    Wieder kreischten sie vor Freude, legten mir einen Blumenkranz um den Hals und hüpften in dem Feenring um mich herum. »Und jetzt tanzen wir?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt tanze
ich
, und ihr seht mir dabei zu. Wenn ich fertig bin, schaue ich
euch
eine Weile beim Tanzen zu. Wie klingt das?«
    Sie lachten wie Kinder auf einem Spielplatz. Ihre lächelnden Gesichter wurden von den Sternen über uns und den sanft schimmernden Pilzen zu unseren Füßen erhellt. »Sehr klug, Mädchen! Recht, recht.«
    Recht, recht
. Die Worte erinnerten mich an Luke, und ich fragte mich, ob er diese eigenartigen Wendungen von den Feen übernommen hatte. Ich ignorierte den Stich, den mir der Gedanke an seinen Namen versetzte, und rückte die Blumen um meinen Hals zurecht. Dann schaute ich auf die drei kleinen Feen hinab, die einander die Arme um Schultern und Taillen geschlungen hatten und zu mir aufblickten. »Bekomme ich denn keine Musik?«
    »Musik! Ja! Sie will Musik!« Eine der Feen begann, in die Hände zu klatschen und kräftig mit dem Fuß aufzustampfen. Eine andere gab einen leisen, melodiösen Singsang von sich. Die dritte begann mit kecker, anzüglicher Stimme zu singen, ineiner Sprache, die ich nicht verstand. Doch die Sprache ihrer Musik erkannte ich: Das war ein typisch irischer Tanz, ein Double Jig. Ich

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