LaNague 02 - Mein Vater starb auf Jebinos
konnte, war es vielleicht ratsam, seine Vermutungen nicht von vornherein als unglaubwürdig abzutun.
Jo hatte allerdings nicht vor, alles bedingungslos zu akzeptieren. Sie würde ihm helfen, auch wenn das bedeutete, daß sie in Zukunft öfter mit Old Pete zusammentreffen würde, aber sie wollte ein Auge auf ihn halten. Sollte sich herausstellen, daß er sich geirrt hatte und daß es keine Grundlage für seine Verdachtsmomente gab, dann würde sie außer ein bißchen Zeit und persönlichem Ärger nichts verloren haben. Sollte er jedoch zufällig recht haben … nun, IBA war ihr Zuhause und ihre Familie. Was immer IBA bedrohte, bedrohte auch sie.
»Ich finde Theorien über Verschwörungen immer ziemlich aufregend«, sagte sie nach einer langen Pause, »aber sie sind selten nachprüfbar. Wenn es jedoch im Interesse von IBA liegt, werde ich tun, was ich kann.«
Old Pete entspannte sich sichtbar bei ihren Worten. »Fein! Du kannst mir bei den Nachforschungen helfen. Ich habe bereits jemanden damit beauftragt, diesen Mann auf Dil zu überprüfen. Wir müssen alle Bewegungen der Restrukturisten verfolgen, um herauszufinden, ob sie noch etwas anderes planen.«
Jo nickte. »Dafür sorge ich dann. Ich werde auch selbst noch jemanden nach Dil schicken, der sehen soll, was er dort aufdecken kann.« Sie stand auf, offensichtlich bestrebt, das Gespräch zu beenden. »In der Zwischenzeit …«
Old Pete blieb ruhig sitzen und hob die Hand hoch. »Nicht so eilig.«
»Was gibt es denn noch?«
»Wenn wir in dieser Sache zusammenarbeiten werden«, erklärte er, »möchte ich vorher eins wissen: Warum haßt du mich?«
Jos Stimme wurde um eine halbe Oktave höher. »Ich hasse dich nicht.«
»Doch, das tust du. Und ich möchte eine Erklärung. Zumindest das bist du mir schuldig.«
Manchmal fragte sie sich, ob sie ihm überhaupt etwas schuldete; dann wieder hatte sie das Gefühl, daß sie ihm wohl etwas schuldig war. Aber jedesmal, wenn sie an ihn dachte, kamen die alten Haßgefühle wieder zum Vorschein. Sie zögerte.
»Ich warte«, meinte Old Pete geduldig.
Jo schüttelte sich und bereitete sich auf die Antwort vor, die sie ebenso ungern sagte, wie Old Pete sie ungern hören würde.
»Wärest du nicht gewesen«, stellte sie ruhig und entschieden fest, »so würde mein Vater heute noch leben.«
Old Petes Gesicht zeigte den Ausdruck, den sie erwartet hatte: Erschütterung. Und da war noch etwas mehr … er war verletzt.
Nach langem Schweigen begann er leise zu sprechen. »Wie kannst du das denken?«
»Weil es stimmt! Du hast ihn wahrscheinlich zu diesem Jahr Urlaub überredet. Und wenn das nicht zutrifft, so hättest du es ihm wenigstens ausreden können. Wie auch immer, jedenfalls hast du seinen Anteil bekommen und ihn in den Tod geschickt!« Plötzlich sah Old Pete wirklich wie einundachtzig aus. Vieles wurde ihm auf einmal klar.
»Du mußt mir glauben, daß Junior darauf bestand, zu gehen … Ich habe mein Bestes getan, es ihm auszureden, aber du kannst einem Finch nichts ausreden, wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hat. Er übertrug mir seinen Anteil bis zu seiner Rückkehr in sichere Verwahrung – er hatte ja vor, nur ein Jahr wegzubleiben.«
»Aber er kam nie zurück, was für dich doch sehr günstig war!«
»Deine Überlegungen sind nicht sehr scharfsinnig, Mädchen«, sagte Old Pete, jetzt mehr verärgert als verletzt. »Was habe ich mit seinem Anteil gemacht? Habe ich mich als allmächtiger Herrscher über IBA aufgespielt? Habe ich die Gesellschaft nach meinen Vorstellungen verändert? Habe ich sie geschröpft? Nein! Ich habe nichts von all dem getan! Ich habe ein Direktorium eingesetzt, das alle Geschäfte für mich führte, weil ich das Interesse an der ganzen Sache verloren hatte. Joe war tot, dann starb auch Junior … und das alles innerhalb von vier Jahren …« Seine Stimme wurde wieder weicher. »Ich wollte einfach von allem nichts mehr wissen.«
In dem langen Schweigen, das nun folgte, war Jo fast versucht, ihm zu glauben. Sie schien ihn mit ihren Worten wirklich verletzt zu haben. Aber sie war nicht überzeugt. Noch nicht. Old Pete hielt irgend etwas vor ihr verborgen, das sie nie sehen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was es war, oder worum es ging, aber es war da. Sie spürte es. Und sie konnte die alten Haßgefühle nicht einfach vergessen. Sie mußte jemandem die Schuld daran geben können, daß sie mit elf Jahren zur Vollwaise geworden war, daß sie all die Jahre in der Obhut eines
Weitere Kostenlose Bücher