LaNague 03 - Der Staatsfeind
ich mir vorstellen. Jetzt, wo er endlich ihre Aufmerksamkeit hat, erwartet er, daß jeder in der ganzen Galaxie mit sachlichen und nüchternen Argumenten zu überzeugen ist.« Sie deutete auf das Videogerät. »Ein Tolivianer oder ein Flinter würde es verstehen und auf jedes dieser Bänder mit grimmiger Entschlossenheit reagieren. Aber die Menschen auf Throne?«
Sie ging zum Fenster, wo Pierrot stand und die Blätter in der trübsinnigen Kengai- Struktur über den Rand seines Kübels hängen ließ. Sie hatte ihn gegossen, mit ihm gesprochen, aber es war ihr nicht gelungen, ihn in seinen alten Zustand zurückzubringen. Sie sah hinunter auf die leeren, dunklen Straßen, die auf die nahende Morgendämmerung warteten, und dachte an Peter. Er war ein anderer Mensch geworden, seit er Tolive verlassen hatte – kühl, distanziert, zerstreut und manchmal sogar rücksichtslos. Aber diese Bänder … sie waren das Werk eines Dummkopfs!
»Warum hat er nicht auf dich gehört? Oder mich gefragt? Oder von mir aus irgend jemand anderen? Diese Bänder sind trocken, pedantisch, didaktisch und emotional nichtssagend! Sie mögen vielleicht eine ganze Reihe Leute veranlassen, zu nicken und in der Sicherheit ihrer Häuser ihm stillschweigend beizupflichten, aber sie werden niemanden dazu bringen, hinaus auf die Straßen zu stürmen, drohend die Fäuste zu schütteln und so laut wie möglich nach einem Ende der Herrschaft von Metep und seinem korrupten Imperium zu schreien!« Sie wirbelte herum und blickte Sayers an. »Sie werden nicht wirken!«
»Aber sie sind alles, was wir haben.«
Mora sah die drei Bänder nebeneinander vor dem Videogerät stehen. In einer einzigen Bewegung griff sie nach ihnen, schleuderte sie in den Dissoziator und aktivierte ihn.
Sayers wollte eingreifen, aber es war schon zu spät. »Nein!« Ungläubig starrte er sie an. »Weißt du, was du getan hast? Es gibt keine Kopien davon!«
»Sehr gut! Jetzt werden wir uns nämlich etwas anderes einfallen lassen müssen.« Sie brach ab. Die Bänder hatten vernichtet werden müssen. Solange sie da waren, hätte sich Sayers verpflichtet gefühlt, sie auf irgendeine Weise auszusenden. Aber jetzt, da sie zerstört waren, konnte er frei handeln – und ihr zuhören. Mora hatte sich schon etwas anderes überlegt – eine kleine Abwandlung von Peters ursprünglichem Plan. Nur brauchte sie dazu Hilfe – die Hilfe von Flintern. Josef war tot und Kanya verschwunden, also würde sie sich an andere Flinter wenden müssen. Sie waren in den letzten Wochen in einem ständigen Strom nach Throne gekommen, hatten isolierte Enklaven gebildet und warteten auf den Augenblick, an dem man ihre Dienste brauchen würde. Mora wußte, wo sie sie würde finden können.
Er war fast am Ziel. Keuchend blieb Broohnin auf einem Hügel stehen und blickte zurück auf den schwachen Schein, der über Primus lag. Noch vor einem Jahr war auf diese Entfernung der halbe Himmel hell erleuchtet gewesen, aber heute, wo es kaum noch intakte Glühkugeln in den Straßen der Stadt gab, war Primus nur noch ein Schatten seines früheren Aussehens. Einen Augenblick setzte er sich hin und beobachtete das Gelände hinter sich, ob er irgendwo eine Bewegung ausmachen konnte, während sich sein Körper inzwischen wieder erholte.
Die Musterung fiel zu seiner Zufriedenheit aus. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte niemanden auf seiner Spur entdecken, noch nicht einmal ein Tier. Er hatte einen langen Weg hinter sich, und seine Muskeln schmerzten so wie damals bei ihrer Flucht auf der Erde. Er besaß keine Ausdauer und Kondition mehr, aber daran war jetzt nichts zu ändern … er mußte weiter. Bald konnte er sich sicher fühlen.
Den Auslöser hielt er noch immer in der Hand, allerdings war der Aktivierungsknopf durch eine Sperre gesichert. Aber das war kein Problem … kaum ein Schloß konnte ihm mit seiner jahrelangen Erfahrung in diesem Metier widerstehen. Außerdem war er fast sicher, daß es sich gar nicht um ein richtiges Schloß handelte … der Auslöser wurde höchstwahrscheinlich nur durch einen einfachen Sicherheitsmechanismus geschützt. Er war überzeugt, daß er ihn ohne große Schwierigkeiten würde lösen können, wenn er erst einen sicheren Ort erreicht hatte.
Mühsam kam er wieder auf die Füße und zwang seinen protestierenden Körper vorwärts. Es war jetzt nicht mehr weit. Es würde nicht mehr lange dauern, und dann hieß es auf Wiedersehen, Imperium. Ursprünglich
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