LaNague 03 - Der Staatsfeind

von Küste zu Küste viertausend Kilometer breit war und in deren Zentrum Primus lag. Die Bewohner der Zentralgebiete schickten ihre Steuern direkt nach Primus, während an den Küsten regionale Steuerzentren die unfreiwillig abgegebenen Beträge einsammelten und die Marken zum Schatzministerium transportierten, wo alte Scheine aussortiert und durch neue ersetzt wurden. Von dort verschwand es im unersättlichen Rachen der Imperialen Bürokratie.
    Ein Konvoi aus drei Schiffen war im Augenblick von dem an der Westküste gelegenen regionalen Steuerzentrum aus unterwegs ins Landesinnere, beladen mit eingenommenen Steuern. Der Kurs führte über das öde Hinterland zwischen der Küste und dem Zentralplateau, wo Primus lag. Die Transporte waren schwer bewaffnet und mit Mitgliedern der Imperialen Wache bemannt. Allerdings waren es praktisch reine Routineflüge, denn bisher hatte noch nie jemand versucht, einen Steuertransport zu entführen.
     
    Erv Singh wartete auf den Ruck. Wenn er zeitlich alles korrekt abgestimmt hatte, mußten die Stromkreise genau in diesem Moment überlastet werden. Er wartete, und dann geschah es. Ein leichter Zug, den niemand bemerken würde, der nicht darauf achtete. Aber der Zug war da, und er bedeutete, daß die Schwerkraft des Planeten das Schiff in ihren Griff zog. Er sah, wie der Höhenmesser langsam herunterging und versuchte erfolglos, die Energiezufuhr des Antigrav-Generators zu erhöhen. Das Warnsignal flackerte rot auf. Sie verloren an Höhe. Genau nach Plan.
    »Schiff Zwei an Führer«, sprach er in das Bordfunkgerät. »Irgend etwas ist nicht in Ordnung. Keine a-g-Reaktion. Ich glaube, die Schaltkreise sind überlastet.«
    »Versuchen Sie es mit dem Hilfssystem, Schiff Zwei«, kam die Antwort.
    »Okay.« Er schaltete den Hilfsgenerator zu, aber sie nahmen nicht an Höhe zu. Nachdem er es, wie er glaubte, lange genug versucht hatte, meldete er sich wieder. »Wir werden immer schwerer, Führer. Wir sind jetzt bis auf nullkommavierfünf Normalmasse und sinken weiter. Ich glaube, wir drehen besser um.«
    »Das schaffen Sie nie, Zwei. Nicht bei der Geschwindigkeit, mit der Sie augenblicklich sinken. Sehen Sie besser zu, daß Sie irgendwo landen können, und schauen Sie dann nach, ob Sie die Ursache für den Defekt finden können.«
    »Verstanden. Es dürfte nicht allzu schwierig sein.« Erv Singh wußte nur zu gut, daß es nicht schwierig war. Er hatte sich die Stelle genau gemerkt. Hoffentlich waren sie unten mittlerweile alle abgeschirmt. »Da vorn, einen halben Kilometer von hier, das sieht doch aus wie ein günstiger Platz zum Landen. Was zeigt das Prüfgerät an?«
    Ein paar Herzschläge lang war nichts zu hören. »Da ist nichts außer großen Felsen und Sträuchern. Keine Bewegung, keine besonderen Wärmequellen, noch nicht einmal irgendwelche Lebewesen. Sieht sicher aus. Landen Sie dort, und wir werden Sie von oben absichern.«
    »Was ist los?« Es war eine der Wachen, die aus dem rückwärtigen Teil des Schiffes nach vorn gekommen war. »Warum gehen wir runter?«
    »Irgend etwas stimmt nicht mit dem Antigrav-Generator. Wir sind jetzt fast wieder auf Normalmasse.«
    »Hey, Singh – willst du etwa sagen, daß du noch nicht mal fähig bist, die Mäuse hier ohne eine Panne nach Primus zu schaffen? Na, du bist mir vielleicht ein schöner Pilot!«
    Singh machte ein ungehaltenes Gesicht. »Bitte, wenn du es besser kannst. Ich würde liebend gern mit dir tauschen und neben dem Geld Wache halten, statt diese Kiste zu fliegen!«
    »Nun reg dich nicht gleich auf, Erv«, beruhigte ihn der Wachposten. »So schön ist es im übrigen da hinten auch nicht. Oder glaubst du, es macht uns Spaß, das blöde Zeug zu bewachen?«
    »Dann beeil dich, daß du wieder nach hinten kommst, sonst läuft es dir womöglich noch weg.«
    Singh schaltete den Autopiloten ab und übernahm selbst die Steuerung von Schiff Zwei, das er jetzt vorsichtig auf eine von jenem für Thrones Hinterland typischen rotblättrigen Gebüsch umgebenen Lichtung aufsetzte. Die beiden Begleitschiffe im Konvoi kreisten wachsam über ihm. Nachdem er die Sicherheitsverschlüsse an den Inspektionsöffnungen des a-g-Generators von seinem Kommandostand aus gelöst hatte, sah er sich das System genauer an. Er leuchtete kurz mit einer Taschenlampe in zwei Öffnungen hinein, wandte sich dann ab und eilte zurück ins Innere des Schiffes.
    »Ich werde unten bleiben müssen, Führer«, teilte er den Schiffen über ihm mit.
    »Sieht es so schlimm