LaNague 03 - Der Staatsfeind
auch genau überlegt, daß dieser Mann als einzig Überlebender von diesem Zeitpunkt an auf der Flucht sein wird. Selbst die Imperialen Wachmannschaften auf Throne werden ihn als Komplizen der Leute jagen, die ihre Kameraden abgeschlachtet haben. Und? Willst du das etwa auch?«
Einen Augenblick lang wußte Broohnin keine Antwort, und augenblicklich hatte er das Interesse seiner Zuhörer verloren. LaNague hatte gezeigt, daß er das Problem von mehr Seiten als sein hitzköpfiger Gegenspieler angegangen war; und während man einerseits hätte argumentieren können, daß er offensichtlich allzu sehr um das Wohl der Männer besorgt war, die die Schiffe bewachten, mußte man auf der anderen Seite aber auch zugeben, daß er sich genauso viel Gedanken um die Männer machte, die heute abend an seiner Seite sein würden.
Aber LaNague gab sich noch nicht zufrieden. Er mußte diese Männer ganz und vorbehaltlos auf seine Seite bekommen. Und zwar so vorbehaltlos, daß, wenn sie sich zwischen Peter LaNague und Broohnin würden entscheiden müssen, sie LaNague wählten.
»Laß dir versichert sein, diese Holoanzüge sind keine dumme Maskerade«, meinte er zu Broohnin gewandt, versäumte aber nicht, nacheinander jeden einzelnen seiner Leute anzusehen. »Niemand darf unsere wahre Identität kennen – das ist die Grundvoraussetzung, wenn wir erfolgreich handeln wollen. Wenn wir uns nicht mehr frei auf Throne bewegen können, nützen wir der Organisation nichts mehr. Und noch etwas anderes: es besteht immer die Gefahr, daß der eine oder andere von uns, vielleicht sogar wir alle, eines Tages gefangen werden; und wie man dann mit uns umgeht, wird zum großen Teil davon abhängen, wie wir die Begleitmannschaften heute abend und die Männer von der Imperialen Wache überhaupt bei unseren Überfällen behandeln werden. Denkt immer daran. Also – wenn wir die Zeugen am Leben lassen wollen, müssen wir uns verkleiden. Und wenn wir uns schon verkleiden, warum dann nicht sinnvoll und überzeugend!«
Er schwieg, um seine Worte wirken zu lassen. Er hatte einen logischen Gedankengang in seine Argumentation einfließen lassen und wollte sichergehen, daß ihm jeder seiner Männer folgen konnte. Die Augen aller ruhten im Augenblick auf ihm. Sogar Broohnin sah ihn gespannt an.
»Ich habe das Bild Robin Hoods nicht aus einer Laune heraus gewählt. Wie einige von euch vielleicht wissen, war er dem Mythos nach ein Wohltäter auf der alten Erde, der, wie es heißt, die Reichen beraubt und den Armen geholfen hat. Aber das ist natürlich die bereinigte, von der Regierung zugelassene Version der Legende. Jeder, der zwischen den Zeilen liest, wird feststellen, daß Robin Hood der Archetypus eines Steuerrebells war. Sicher, er beraubte die Reichen – aber diese Reichen waren zufällig die Steuereintreiber König Johns. Und er half auch den Armen – und zwar denjenigen, die von den Steuereintreibern um ihr wohlverdientes Geld gebracht worden waren. Er gab ihnen also lediglich ihr Eigentum zurück.
Was wir also heute abend tun werden«, fuhr er mit verschwörerisch leiser Stimme fort, »ist eine Wiederholung der Geschichte. Metep ist König John, wir sind Robin Hood und seine Geächteten, und heute abend werden wir die sehr Reichen berauben – das Imperiale Schatzministerium. Und wenn es Morgen wird, werden die Armen – also die Öffentlichkeit – von unserer guten Tat profitieren.« Er lächelte. »Ich glaube, daß sie verstehen werden, was wir ihnen sagen wollen.«
Die Männer um ihn herum erwiderten sein Lächeln, während LaNague überlegte, ob er ihnen auch den anderen Grund nennen sollte, warum er Robin Hood wieder zu neuem Leben erwecken wollte. Aber dies war wohl weder der richtige Ort noch die richtige Zeit dafür …
Josefs Stimme unterbrach ihn bei seinen Gedanken und nahm ihm die Entscheidung ab: »Wir befinden uns über der bewußten Stelle. Ich gehe herunter.«
Es war Steuerzeit auf Throne. Zwei Monate lang hatten die braven Bürger Zeit, auszurechnen, wieviel sie dem Imperium für das letzte Jahr schuldeten, wobei der Betrag abgezogen wurde, der ihnen schon jedesmal vom Lohn abgehalten worden war. Die Endsumme mußte dann an das Imperium abgegeben werden, die das Ganze zwar als »freiwilliges Steuersystem« bezeichnete, dabei wohl aber vergaß, daß diejenigen, die sich weigerten, zu bezahlen, mit Geld- oder Gefängnisstrafen zu rechnen hatten.
Die Bevölkerung von Throne drängte sich auf einer großen Landmasse zusammen, die
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