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Land aus Glas

Land aus Glas

Titel: Land aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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große Halbkugel aus Stein, mit einem großen Portal an der Nordseite und erhöhten Säulengängen ringsumher – Kein Glas? – Fenster, nur Fenster, eines neben dem anderen – Und warum hat er gewonnen? – Ist es denn wichtig, zu wissen warum?/und das genau, als der feste Griff der Erregung nachläßt und sich die Maschen des Gedränges lockern – der Zauber der Ferne senkt sich herab -genau mitten in dem Ofen, der die Asche der Spannung verraucht – genau da spürt Jun Mormys Schwanz hämmern wie ein erschöpftes, ertrinkendes Herz und dann zwischen den Fingern sein Sperma, das sich überall verteilt – die zielgerichtete Lust von Juns Hand und Mormys erschöpftes Verlangen, beides aufgelöst in dieser weichen Flüssigkeit – denn am Ende gibt es für jeden Fluß immer ein Meer, in das er münden kann – Juns Hand, die langsam fortgleitet – sie kommt kurz zurück – und verschwindet im Nichts/die Leute kommen langsam wieder zu sich – benommene Gesichter finden zu ihrer Würde zurück – die Ohren genießen das gemessene Verklingen der Töne – fern, das ist ein wunderschönes Wort – und wer die Augen aufschlägt, spürt den Peitschenhieb der Sonne – während die anderen unbeirrt weiterspielen und noch immer einen Schritt vor den anderen setzen, ein jeder auf seiner gedachten geraden Linie – eine Linie wird Orts zerstörten Körper auf dem Boden streifen – es ist unvermeidlich, sie werden dort vorbeimüssen – doch niemand wird anhalten, höchstens wohl ein unmerklicher Schlenker, eine Sekunde, mehr nicht, ohne ein Zittern in den Tönen, ohne den geringsten Reflex – wer das nicht versteht, versteht überhaupt nichts – denn wo das Leben wirklich brennt, ist der Tod ein Nichts – etwas anderes gegen den Tod gibt es nicht – nur das – das Leben wirklich brennen zu lassen/Mr. Rail und Hector Horeau, die schweigend dasitzen und in die Ferne schauen – in ihnen die Zeit/Juns Hände, eine in der anderen, auf ihrem gelben Kleid ruhend – in ihnen ein Geheimnis/nur wenige Meter bis zum Ende – sie sind nicht einen Millimeter vom Weg abgewichen, als sie bei Ort vorbeikamen – der Tanz, der wie ein Wiegenlied klingt, vergeht – der Marsch, der wie ein Kirchenlied klingt, verhallt – die Sehnsucht verfliegt – der Ritus verklingt – es gibt niemanden, der zu atmen wagt – die letzten fünf Schritte – die letzte Note – aus – reglos an der äußersten Ecke des letzten Hauses – als sei dort ein Abgrund – die Instrumente schweigen – nicht ein Laut, nichts – wird es nie jemand wagen, den Zauber zu brechen? – erst haben sie gespielt, jetzt stehen sie reglos mit dem Rücken zum Städtchen, vor sich die Unendlichkeit – wie übrigens alle – die Unendlichkeit im Kopf – sogar Ort hat, auf seine Art, die Unendlichkeit vor sich – jeder – in diesem Augenblick und allezeit.
    Das ist das Schreckliche und das Wunderbare. Und es hätte alles keinen Sinn, hätte man nicht wenigstens die Unendlichkeit vor sich.

 
Fünf
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    … die uns beinah bestürzt …

1
     
    »MRS. RAIL, Mrs. Rail … Verzeihen Sie … Mrs. Rail …«
    »Komm herein, Brath.«
    »Mrs. Rail, es ist etwas …«
    »Na sag schon, Brath.«
    »Mormy …«
    »Was ist los, Brath?«
    »Mormy … Mormy ist tot …«
    »Was sagst du da?«
    »Sie haben Mormy umgebracht.«
    »Was sagst du da?«
    »Sie haben ihn umgebracht. Er war da, und sie haben ihn am Kopf getroffen, sie haben mit Steinen geschmissen, und einer hat ihn genau am Kopf getroffen. Er ist umgefallen wie ein nasser Sack. Er hat nicht mehr geatmet.«
    »Was sagst du da?«
    »Da waren die von der Eisenbahn, die Arbeiter, sie waren stinkwütend, sie schrien uns an, es waren ungefähr vierzig, vielleicht noch mehr, wir haben versucht, sie aufzuhalten, aber es waren zu viele, da sind wir weggerannt … wir rannten schon, als sie anfingen, mit diesen verfluchten Steinen nach uns zu schmeißen, und ich weiß nicht, wieso, aber Mormy blieb zurück, ich habe geschrien, er soll machen, daß er wegkommt, aber er hat nicht darauf geachtet, ich weiß auch nicht, er ist dageblieben, und schließlich hat ihn ein Stein genau am Kopf getroffen, er fiel plötzlich um, und da hörten alle auf, aber es war schon zu spät, da war nichts mehr zu machen, er atmete nicht mehr, und sein ganzer Kopf … also, er war tot.«
    »Was sagst du da?«
    »Sie wollten die Eisenbahn abbauen, darum sind wir hingegangen, und am Ende haben wir

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