Land der guten Hoffnung
aber kaum hatte der Schnelldurchlauf begonnen, nahm ich eine Unregelmäßigkeit wahr. Zwischen den bedruckten Seiten flackerte kurz etwas Bläuliches auf. Ich blätterte zurück und fand einige Zeilen, die mit blauer Kugelschreibertinte unterstrichen waren. Auf dem Seitenrand stand eine Notiz in Deutsch. Die Blockbuchstaben der Handschrift kamen mir bekannt vor.
DAS IST DER WEGWEISER! WER DAS FINDET, FINDET IHN!
Ich widmete mich dem Gedruckten, las die markierte Passage, auf die sich Timothy Butlers Anmerkung bezog.
Neben der Eingangstür meines Hauses hängt an jeder Seite ein schöner Somali-Schild; beide hatte ich früher einmal von der Nordwestgrenze Kenias mitgebracht. Jeder Schild ist flankiert von einem heraldischen Bündel kunstvoller tödlicher Wurfspeere der Massai.
Natürlich konnten die Hinweise auf Kenia und die Massai ebenfalls eine Rolle spielen. Vermutlich waren sie jedoch zweitrangig. Präziser und zwingender war die Ähnlichkeit der Symbole. Ein Portal, beiderseits flankiert von Schilden und Speeren. Genau so wie auf dem Wappen des Briefpapiers in der Hochhaussuite in Kapstadt. Auch Schilde und Speere, die den Kamin des Großwildjägerraums auf der Farm schmückten, kamen mir in den Sinn. Und noch ein weiterer Gedanke:
Was hatte Marius Bertrand dort zu mir gesagt?
Das Lösegeld war gut investiert. Es vermehrt sich wie von selbst. Hotels, Tourismus - nicht nur hier in der Republik, auch in den Nachbarländern ...
Noch einmal ging ich zum Tisch und sah die Magazine und Prospekte durch. In einem Heft, das für Südafrika warb, fand ich bei genauerem Hinsehen das Wappen allein viermal in Werbeanzeigen. Ein Golfhotel in der Nähe von Durban, ein Strandhotel in Plettenberg Bay, eine Lodge in einem Naturreservat bei Knysna und eine Game Lodge bei Beaufort West. Im Gegensatz zum dezent anonymen Briefpapier, verband sich nun auch ein Name mit dem Logo.
Exclusive Retreats
Darunter stand stets klein gedruckt, aber für die realen Machtverhältnisse zweifellos von Bedeutung: a B&S Company Bertrand & Stamm.?
So, wie die Dinge lagen, war das nicht abwegig.
Ich steckte das Magazin ein und blätterte vorsichtshalber noch einmal die ganze englische Ausgabe des Romans durch, fand jedoch keine weiteren Hinweise. Und doch verspürte ich das zwingende Bedürfnis Flamingofeder endlich ganz zu lesen. Und sei es nur, um sicher zu sein, keine noch so gut versteckte Spur zu übersehen.
Ich warf einen Blick auf die Uhr.
Es war an der Zeit auszuchecken.
Im Café hinter dem Hugenottenmuseum ließ ich mich von der freundlichen Drallen ausreichend mit Karottenkuchen und Kaffee versorgen und widmete mich, im Schatten eines Sonnenschirms, meiner Lektüre.
Ich las den Roman in der deutschen Übersetzung. Er hatte gut vierhundert Seiten, und ich wollte nicht mehr Zeit verlieren als nötig. Abgesehen davon, dass es sich um eine spannende Abenteuergeschichte mit politischem Hintergrund und beeindruckenden Naturbeschreibungen handelte, gelang es mir nicht, weitere direkte Bezüge zu meinem Auftrag herzustellen. Auf Seite sechsundachtzig stieß ich auf eine Textstelle, die mir zwar keinen konkreten Hinweis in Sachen Bertrand & Co lieferte, jedoch Einsichten zu meinem Job und meiner derzeitigen Situation.
Denn eins hat mich das Aufspüren von Fährten gelehrt: meinen Gedanken nie zu erlauben, der Spur vorauszueilen.
Fährten verfolgen, erfordert Selbstzucht im Glauben und in der Demut, über die du staunen magst. Immer muss allein die Spur selbst den Jäger leiten, nie seine eigenen Wünsche und Gedanken darüber...
Besser konnte man mein Versagen und den Verrat an meinen eigenen Grundsätzen nicht auf den Punkt bringen. Die eisernen Regeln meiner Arbeit waren in den letzten Tagen gründlich gebrochen worden. Das Spiel ließ sich wohl doch nicht immer und nur aus der Distanz spielen. Doch nun hatte ich wieder etwas mehr Abstand, und es war höchste Zeit für eine radikale Neuorientierung. Minutenlang starrte ich wie benommen auf die weißen Mauern der Gedenkstätte, dann las ich weiter.
Kapitel 25
Im Laufe des Nachmittags aß ich mehr Karottenkuchen und trank mehr Kaffee, als mir gut tat. Dabei schaffte ich es, etwa die Hälfte von Flamingofeder zu lesen, bis ich endgültig nach Paarl aufbrach.
Der Winzer, den mir Doc empfohlen hatte, hieß Desmond Mathabane und war Xhosa.
Als regelmäßiger Weintrinker hatte ich zu Hause den einen oder anderen Artikel und Fernsehbeitrag über die Zukunft der bislang von weißen
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