Land der guten Hoffnung
Gott sei Dank auch diese Tradition fort.“
Wie aufs Stichwort kam ein gut aussehender Schwarzer herein.
„Da ist er ja schon!“ stellte die alte Dame zufrieden fest.
Für die Position, die er innehatte, war Desmond Mathabane erstaunlich jung. Doch etwas an ihm strahlte Ruhe und Reife aus, als er auf uns zusteuerte. Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig. Er trug Jeans, Polohemd und Bootsschuhe. Die Figur war nicht ganz so sportlich. Er schleppte ein paar Pfund zu viel mit sich herum. Ich stand höflichkeitshalber auf. Noch bevor ich mich selbst vorstellen konnte, erledigte Elizabeth Markham das für mich und nutzte die Gelegenheit, um sich dezent zurückzuziehen.
„Liz ist der Boss“, sagte Desmond und schaute der alten Dame nach wie ein Enkel der Großmutter. Dann musterte er mich ernst und fügte hinzu: „Und eine große Liberale!“
„Eine imposante Erscheinung.“
Er machte eine ausholende Armbewegung. „Das hier hat alles ihr gehört. Und jetzt hat sie es mir auf die Schultern geladen.“ Er lachte, als müsse er sich ab und zu Mut machen.
„Das zeugt von Vertrauen.“
„So ist es. Und ich werde Liz nicht enttäuschen.“ Er fasste mich am Arm. „Kommen Sie, lassen Sie uns einen kurzen Spaziergang machen, damit ich Ihnen unseren kleinen Besitz zeigen kann, bevor es Nacht wird.“
Ich folgte ihm.
Die Weingärten begannen direkt hinter dem Haus. Sie bedeckten die Ausläufer des Berghangs und reichten weit hinunter bis in die Ebene bei Paarl. Ein breiter Weg führte durch die Reben zu den Wirtschaftsgebäuden, die mit ihren Keltervorrichtungen und den Kellereien einige hundert Meter von Wohn- und Gasthaus entfernt lagen. Desmond erklärte mir die wichtigsten Arbeitsschritte in knappen und präzisen Sätzen. Danach besprach er sich kurz mit einem Vorarbeiter in Afrikaans, während ich den Blick über die Rebstöcke genoss. In der nun schnell aufkommenden Dunkelheit wogten ihre regelmäßigen Reihen wie blaugrüne Wellenkämme ins Tal hinunter.
Es wurde kühl. Ich fröstelte, und war dankbar, als Desmond mich kurze Zeit später wieder zurück ins Hauptgebäude führte.
Der Memorial Room war Gästezimmer und Kultstätte zugleich.
Eine stattliche Sammlung gerahmter Fotos zierte die Wände. Die meisten davon waren mit Widmungen versehen und signiert. Reliquien des Kampfes und des Sieges über die Apartheid. Immer wieder Nelson Mandela: als Boxer, als Gefangener auf Robben Island, mit seiner Frau Winnie nach der Freilassung, mit F. W. de Klerk bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo, und als gewählter Präsident im bunten und seidigen Mandela Shirt, flankiert von den Hollywood-Stars Louis Gossett Jr. und Morgan Freeman. Auf einem winzigen Schnappschuss erkannte ich den legendären Steve Biko, sehr schmal, sehr ernst, umgeben von Freunden bei einem bescheidenen Fest im Township.
„Das ist unser privates Gästezimmer und deshalb etwas persönlicher gehalten“, entschuldigte sich Desmond. Mit dem prüfenden Blick des Chefs, der die Arbeit seines Personals im Auge behält, checkte er mein Gepäck, das bereits, ordentlich auf dem aufklappbaren Ständer platziert, auf mich wartete. „Eins der wenigen Hotelzimmer, die wir hier zur Verfügung haben, konnte ich Ihnen leider nicht freihalten. Es war ja nicht ganz sicher, ob Sie überhaupt kommen.“
„Ich bitte Sie - ist doch alles wunderbar. Ich habe für Ihre Gastfreundschaft zu danken.“
„Wie war es übrigens in Angola?“ erkundigte er sich höflich, aber eher beiläufig. Die Antwort schien ihn nicht brennend zu interessieren.
„Mosambik“, stellte ich richtig und ließ den Rest der Frage auf sich beruhen.
Ein vergrößertes Farbfoto weckte meine Aufmerksamkeit. Ich musterte es genauer. Die Hauptperson auf dem Bild war Erzbischof Desmond Tutu. Noch ein Nobelpreisträger. Er trug eine schwere und sehr dunkle Sonnenbrille, die einem Paten der Mafia zur Ehre gereicht hätte und in hartem Kontrast zur menschenfreundlichen Miene und dem lila Käppchen auf den grauweißen Locken stand. Rechts neben dem Bischof stand Desmond Mathabane himself und strahlte in die Kamera.
„Mein berühmter Vornamensvetter“, kommentierte er stolz.
Ich registrierte die Anmerkung mehr im Unterbewusstsein, denn der Mann, der links neben dem Bischof stand, erregte mein ganzes Interesse. Es war eindeutig Stan Wishbone. Er war um einige Jahre jünger, aber es bestand kein Zweifel: Er war es.
Ich sah Desmond flüchtig an. „Und wer ist der andere Mann?
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