Land der guten Hoffnung
Auch ein Namensvetter?“
„Nein. Ein guter Kamerad. Er war einer unserer Besten, ein guter Kämpfer für die Sache und ein hervorragender Musiker. Immer bescheiden, stand nie gerne im Mittelpunkt. Leider hat er sich ganz zurückgezogen.“
Desmonds bedauernder Gesichtsausdruck entging mir nicht.
„Man sieht und hört nichts mehr von ihm“, fügte er hinzu.
„Warum?“
„Was weiß ich.“ Ein Achselzucken. „Wahrscheinlich der Frust über die kargen Ergebnisse der Kommission. Kommen Sie, lassen Sie uns was Anständiges essen und trinken.“ Er ging vor. „Sie brauchen hier nicht abzuschließen.“
Ich folgte ihm den rustikalen Gang hinunter, dessen Aufmachung der Historie der burischen Gründerväter Rechnung trug. Es war der Flur des Großen Treck und der Burenkrieger. Pflugschar, Flinte und Planwagen. Das kalvinistische Gegenprogramm zur Sammlung in meinem Zimmer. Ich nahm mir die Zeit, einige der braunstichigen Fotografien genauer anzusehen und die Texthinweise zu lesen.
Ein Meer von Ochsengespannen auf dem Holzmarkt in Kimberley im Betschuanaland.
Zwei Burensoldaten mit wilden Bärten, großen Schlapphüten, gekreuzten Patronengurten und langen Gewehren neben einem behelfsmäßigen Unterstand in einem felsigen Hang - auf Wachposten bei Ladysmith.
Frauen und Mädchen in Kleidern mit weiten Röcken und bauschigen Schürzen. Die ausladenden Stoffhauben auf ihren Köpfen verhüllten die Gesichter nahezu vollständig. Das züchtige Kostüm aus der alten Heimat Holland hatte sich seit dem 17. Jahrhundert nicht verändert. Sie standen vor spitzen Stoffzelten neben der primitiven Kochstelle eines Feldlagers im ausgedörrten Feld.
Sieben ältere Herren, alle mit mächtigen Rauschebärten und in altmodischen Dreiteilern. Sie erinnerten mich an Dorfpfarrer, die sich in einen repräsentativen Regierungssaal verirrt hatten. Der Exekutivrat der Republik Transvaal in Pretoria, in der Mitte der 1883 gewählte Präsident Paul Krüger, umgeben von seinen künftigen Generälen.
„Was für eine Kommission?“ nahm ich unser Gespräch wieder auf.
„Die Truth and Reconciliation Commission.“
Was hatte einer wie Stan Wishbone mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission zu schaffen?
Desmond führte mich zu einem Tisch in einem Seitenraum des Restaurants, und wir setzten uns. In diesem Separee waren wir an alle Dienstleistungsstränge angeschlossen, aber privat.
„Er hat für die Kommission gearbeitet. In ihren Anfangen war er einer der schärfsten Ermittler. Er hat einige politische Kapitalverbrecher vors Tribunal gezerrt oder getrieben, war aber nie mit den Ergebnissen zufrieden. Im tiefsten Herzen wollte er Verurteilung und Bestrafung - keine Begnadigung. Und an einige der übelsten Typen kam er gar nicht ran.“
„Wieso?“
„Weiße Polizisten und Staatsanwälte, die zum Jagen getragen werden müssen, mangelhafte Beweislage, verängstigte Zeugen, die ihre Ruhe haben wollen und auf eine Aussage verzichten. Nicht jeder will seinem Folterer noch mal gegenübertreten. Ich nehme an, er hat deshalb eines Tages resigniert und alles hingeschmissen. Das ist jedenfalls, was man damals hörte. Als Mitarbeiter der Kommission musste er sogar seine Mitgliedschaft in der Partei niederlegen. Und das ist einem wie ihm sicher nicht leicht gefallen. Ich nehme an, er hat der Politik ganz den Rücken gekehrt. Wie dem auch sei, ich habe, wie gesagt, schon lange keinen Kontakt mehr mit ihm. Leider.“
Wishbone war also mal ein Spürhund gewesen. Er hatte Personen gesucht - wie ich. Bevor ich weiter darüber nachgrübeln konnte, kam Nelly zu uns. Die Kap-Malaiin berichtete Desmond ausführlich, was es Gutes aus der Küche gab. Der Gastgeber holte meine Meinung ein und stellte ein Menü für uns zusammen. Dazu gab es Wein aus eigener Produktion.
Ich nutzte die Gelegenheit und nestelte die Merkliste für Doc aus der Hemdtasche. „Leni hat mich gebeten, eine Weinliste für sie zusammenzustellen.“ Ich schob Desmond den Zettel zu. „Ich habe bislang mein Bestes getan, aber ich denke, Sie sollten sie einfach ergänzen und zu Ende bringen.“ Etwas zu spät viel mir ein, damit ungewollt Auskunft über die Länge meines bisherigen Aufenthaltes im Land zu geben, und ich fügte hinzu: „Bei der Herfahrt hatte ich Gelegenheit, mich kurz in einem Weinladen umzusehen, aber Sie sind nun mal der Experte, Desmond.“ Er war überrascht. „Sie trinkt doch nur Bier.“ „Seit sie in ihrer Villa lebt, spielt sie ernsthaft mit dem
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