Land der guten Hoffnung
auszureden. Es war sinnlos. So viel hatte ich gelernt.
Rena warf einen misstrauischen Blick in die Runde, um unerbetene Mithörer auszumachen, die ihren Ausbruch registriert haben mochten.
„Keine Angst“, beruhigte ich sie. Der geräuschvolle Mix aus fremden Sprachen bot den gleichen Schutz wie ein abhörsicherer Raum.
Sie trank ihr Glas zügig leer und signalisierte dem Keeper die Bitte um Nachschub.
„Was ist mit deiner Tochter?“
„Conny soll erst mal bei deiner Familie bleiben.“
Meine Familie!
„Meinst du, das geht?“
„Was heißt erst mal? Was genau hast du vor?“
„Ich möchte den Prozess hier in Südafrika verfolgen. Ich will jedes Wort der Anklage und der Verteidigung selbst hören, um mir ein eigenes Urteil bilden zu können.“
„Das kann ich verstehen. Aber dazu musst du doch nicht zu ihm zurückkehren.“
„Doch. Solange er nicht verurteilt ist, hat er ein Recht auf meine Solidarität.“
Was sollte ich dazu sagen? Wo lag die Logik? Hatte sich Bertrand ihr gegenüber etwa solidarisch verhalten? War mir was entgangen? Der Barkeeper brachte ihr ein frisches Glas, und ich verbot mir fürs erste den Mund, um nicht zynisch zu werden.
„Es soll nicht am Geld liegen. Du weißt, ich werde für alles aufkommen. Conny hat es so gut dort. Mit all den Tieren und Kindern.“
Sie hatte verdammt noch mal Recht. Am Geld lag es wirklich nicht. Familie Carsten hatte genug davon, Doc und Kurti hatten schwer geerbt, und auch ich war sogar noch zu meinem Honorar gekommen. Was wollte man mehr? Am Finanziellen lag es ganz sicher nicht. Aber wer garantierte mir, dass Doc bei dem ganzen Deal keinen Ärger bekam? Und auch ich wollte endlich zu einem klaren Abschluss kommen. Wishbone und seine Leute gaben uns freies Geleit, und das galt es zu nutzen, bevor alles wieder von vorne losgehen konnte. Rena war fähig, Bertrand zu erzählen, wo Conny sich befand, bevor sie selber herausgefunden hatte, wer der Mann wirklich war.
„Lass mich den Prozess abwarten.“
Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, sie hoffe allen Ernstes auf einen Freispruch. Eine Hoffnung, so absurd wie alle, die sie zuvor in Sachen Bertrand gepflegt hatte. Doch ich enthielt mich eines erneuten Kommentars.
Mein Drink kam.
Ich prostete Rena zu. „Wir telefonieren morgen mit Doc und besprechen es mit ihr.“
„Danke.“ Sie leerte ihr Glas.
„Willst du auch noch was trinken?“ erkundigte ich mich höflichkeitshalber.
„Nein, ich glaube, ich fahre mit unseren Gastgebern zurück.“
Ich bemerkte Desmond und Liz, die sich auf den Heimweg begaben. Sie winkten uns zum Abschied zu, und ich hob matt die Hand, um den Gruß zu erwidern.
Rena rief nach dem Keeper, wollte zahlen.
„Lass mal. Ich mach das schon.“
Sie hauchte mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange und eilte Desmond und Liz nach, um sich ihnen anzuschließen. Ich widmete mich ganz dem Alkohol und war froh, dass Rena nicht noch mal Danke gesagt hatte. Erneut erklang Musik. Die Stan Wishbone Messengers spielten zum Kehraus. Ich wandte mich der Bühne zu. Der Boss saß wieder hinter dem Schlagzeug. Das sah nach einer guten Gelegenheit aus, das Gespräch mit Betty zu suchen oder sie gar um einen Tanz zu bitten. Doch ich konnte sie nirgendwo entdecken.
Ich wartete noch eine Viertelstunde, in der Hoffnung, sie pudere sich nur die Nase, dann gab ich es auf und machte mich ebenfalls auf den Heimweg.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte und die Augen öffnete, lächelten Erzbischof Desmond Tutu, Desmond Mathabane und Stan Wishbone von der gegenüberliegenden Wand des MemorialRoom auf mich herab.
Bei allem gebotenen Respekt: Mit seiner wuchtigen Sonnenbrille sah der Friedensnobelpreisträger auch beim wiederholten Hinsehen aus, als sei er persönlich für die dunklen Aktivitäten der Kirche zuständig. Der Weinbauer hingegen strahlte auf dem Schnappschuss so glücklich und erleuchtet in die Kamera, als stehe er kurz vor der Priesterweihe. Nur Stany Wishbone war absolut gelassen und ganz er selbst und bestätigte die alte Weisheit, nach der stille Wasser oft sehr tief sind.
Die verlassene Farm mit ihrem Geheimnis holte mich wieder ein. Das Massengrab im Keller. Der zerpflügte Innenraum der Scheune mit dem Hundeskelett. Die apokalyptischen Reiter, die durch die flimmernde Weite vor den dunklen Bergen auf uns zuhielten. Wenn man einmal angefangen hatte, darüber nachzudenken, kam alles zurück, sogar die Hitze und das unmerkliche Vibrieren, das die Luft erfüllte und
Weitere Kostenlose Bücher