Land der guten Hoffnung
langsam von einem schwachen Flattern überlagert wurde, bis das scharfe Schnappen der Rotorenblätter die Luft zerpeitschte.
Ich flüchtete unter die Dusche.
Der letzte Tag in den Winelands lag vor mir. Noch ein klärendes Telefonat mit Doc, danach der unvermeidliche Abschied von Rena, ein Dankeschön an Desmond und Elizabeth - und schon war ich auf dem Weg nach Kapstadt, um dort noch ein, zwei Tage in der warmen Sonne an der Waterfront zu sitzen, nebenbei meinen Rückflug zu buchen und einen Abschiedsbesuch in dem Büro zu machen, in das Wishbone nach all den Jahren im Untergrund wieder eingezogen war.
An das scheußliche Novemberwetter in Berlin wollte ich noch gar nicht denken.
Nachsuche Yellowwood, November 2003
Kapitel 39
Beim Anziehen hörte ich ein schwaches Klopfen an der Tür und öffnete.
„Helm - ich hatte schon befürchtet, du schläfst noch. Ich habe bereits gefrühstückt. Wir müssen doch noch wegen Conny anrufen.“
Rena sah schlecht aus. Vermutlich hatte sie die ganze Nacht kein Auge zugetan. Die dunklen Schatten waren kein Make-up.
„Komm rein, ich bin sofort fertig.“
„Ich habe heute noch fünfhundert Kilometer Autofahrt vor mir.“ Sie setzte sich - erschöpft, als läge der Tag bereits hinter ihr.
Die Bemerkung sollte ihr Drängen entschuldigen, doch ich hörte nur Resignation heraus. „Lass mich noch schnell einen Kaffee trinken, dann rufen wir an“, munterte ich sie auf. „Komm!“ Ich nahm sie bei der Hand und zog sie wieder hoch.
Im Frühstücksraum sagte sie: „Ich habe schon gepackt.“ Auch dies war kein Aufbruchsignal. Sie trat eher auf der Stelle. Während ich zwei Tassen Kaffee trank und dabei ein Croissant mit Marmelade mummelte, schluckte sie Tabletten.
„Was nimmst du da?“
„Valium.“
Ich schnappte mir den Beipackzettel.
„Es hilft mir. Ich kann damit umgehen“, versuchte sie, mich zu beruhigen.
Was ich las, hörte sich weniger harmlos an. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange Rena das Zeug schon nahm - weder im Hinblick auf eine mögliche Sucht noch angesichts der fünfhundert Kilometer, die noch vor ihr lagen.
„Können wir jetzt bitte anrufen?“
„Natürlich!“ Plötzlich befiel mich die Sorge, Doc könne gar nicht zu Hause sein, und es würde womöglich den ganzen Tag dauern, sie zu erreichen.
Doch Doc war - wie immer, wenn sie gebraucht wurde - zur Stelle und dabei die Ruhe selber. Es war alles kein Problem. Tiere und Kinder waren wohlauf, verstanden sich prächtig. Und warum sollte das nicht noch eine Weile halten? War doch gar kein Thema! Nur dieses Mistwetter. Schon zehn Uhr am Morgen und noch stockdunkel draußen. Na ja! Und der Ärger mit dem Steg. Mein Gott. Aber darum musste sich Kurti jetzt alleine kümmern.
Die wichtigsten Einzelheiten besprach Doc direkt mit Rena. Mich ermahnte sie lediglich noch mal, die Weinliste nicht zu vergessen. Damit traf sie exakt den Nerv, denn ich hätte es glatt vergessen. Während Rena mit Conny telefonierte, machte ich mich unverzüglich auf, um Desmond wegen der Liste zu konsultieren. Ich fand ihn jedoch weder im Haus noch auf dem Gelände, und da auch Elizabeth nicht zu sehen war, konnte mir niemand etwas Verbindliches zu seinem Verbleib sagen.
Als ich zurückkam, hockte Rena teilnahmslos neben dem aufgelegten Telefonhörer und nahm bereits die nächste Ration Tabletten.
„Alles in Ordnung?“ fragte ich.
„Conny geht es gut. Sie fühlt sich wohl dort. Vor allem diese Ente, die Lucy heißt, hat sie sehr ins Herz geschlossen.“
„Lucy ist eine Gans.“ Ich lächelte. „Genau genommen eine Steinbacher Kampfgans!“
Besorgt zog Rena die Stirn in Falten.
„Keine Angst. Lucy ist zwar eine gnadenlose Wächterin, aber alle, die zum Haus gehören, sind ihrer Zuneigung sicher.“
Sie hörte teilnahmslos zu.
Ich setzte mich zu ihr. „Ist es nicht besser, wenn du dich erst mal hinlegst und versuchst, ein paar Stunden zu schlafen, bevor du losfährst?“
Sie versuchte, sich zusammenzureißen. „Ich muss spätestens heute um Mitternacht dort sein.“
Die Frist. Sie wollte sie unbedingt einhalten, damit Bertrand bei Laune blieb. Ich konnte nur hilflos den Kopf schütteln.
„Verstehst du das nicht?“
Ihr eindringlicher Blick ging mir bis ins Mark. Er sagte: Lass mich jetzt bitte nicht hängen!
„Fährst du mich?“
Ich hatte es kommen sehen.
Zwar hatte ich so gut wie kein Verständnis mehr für sie, aber ihre Bitte um Hilfe zu ignorieren, und sie im Stich zu lassen, war etwas ganz
Weitere Kostenlose Bücher