Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Tölpel – aber das rechtfertigte noch längst nicht, sie und den Druiden hinterrücks meucheln zu lassen.
Warum wollte Klaigon ihren Tod? Was hatten sie ihm getan, dass er zu solchen Mitteln griff?
Oder ging es in Wahrheit gar nicht um die beiden? Wollte Klaigon nur verhindern, dass der Weise von Damasia in die Goldene Stadt kam? Aber warum?
Rionna kannte ihren Onkel. Sie hatte seinen Gesichtsausdruck gesehen, als der abgeschlagene Kopf des Erls auf seinem Tisch gelandet war. Die Fürsten und Edelleute hatten voller Entsetzen auf das grässliche Haupt gestarrt, und auch Klaigons Miene hatte Erschrecken gezeigt. Jedoch hatte Rionna danach auch das Flackern in seinen Augen bemerkt – jenes Flackern, das sich immer dann zeigte, wenn er etwas zu verbergen suchte.
Was hatte das zu bedeuten?
Auch Rionna hatte das grausige Präsent aus dem Untertal erschreckt, dann jedoch hatte sie sich zu beruhigen versucht, indem sie sich sagte, dass die Mauern Iónadors als uneinnehmbar galten und dass der Weise vom Urberg ihnen gewiss helfen könnte. Was aber, wenn Morkars Pfeile den Druiden töteten?
Entschlossen schüttelte die Prinzessin den Kopf. Sie durfte nicht zulassen, dass dies geschah. Die Runen hatten durch Eolac den Seher gesprochen und von einer großen Gefahr gekündet, die ganz Allagáin drohte. Es gab keinen Grund, den Runen oder Eolacs Ratschlag auf einmal zu misstrauen.
Und noch weniger Grund gab es für einen – nein, für drei feige Meuchelmorde.
Jedenfalls konnte sich Rionna keinen Grund dafür denken, weshalb Klaigon zu einer solch drastischen Maßnahme griff. Nur eines wusste sie – dass sie alles daran setzen wollte, dieses Unrecht zu verhindern.
Vielleicht, sagte sie sich, war auch das ein Zeichen des Schöpfers. Monatelang hatte sie mit ihrem Schicksal gehadert, hatte sie nicht länger eine Dame aus hohem Hause sein wollen, die sich den Interessen der Macht zu beugen hatte. Wie oft hatte sie davon geträumt, sich unerkannt aus der Stadt zu schleichen, die Mauern Iónadors hinter sich zu lassen und die Fluren Allagáins zu durchwandern, die sie nur aus der Ferne kannte.
Ihre Zofe Calma pflegte zu sagen, dass Veränderungen stets dann eintrafen, wenn die Zeit reif dafür war. Vielleicht, sagte sich Rionna, war der Zeitpunkt gekommen, um die Stadt ihrer Väter zu verlassen.
Sie musste tun, was ihr Gewissen ihr befahl – und den Gilg und den Jäger warnen…
14
Am Fuß der Berge entlang durchwanderten Alphart und Leffel Gilg das Oberland. Vorbei an grünen Seen, die ebenso tief wie unergründlich waren, folgten die unfreiwilligen Gefährten der alten Straße nach Osten. Der Bennanderk, dessen kahler Gipfel von Schnee bedeckt war und der alle anderen Berge der Gegend weit überragte, schien dabei düster auf sie herabzublicken.
In der Hütte eines Köhlers fanden sie Zuflucht für die Nacht und Schutz vor dem Regen, der sich mit Einbruch der Dunkelheit in Schnee verwandelte. Als die beiden am nächsten Tag ihre Reise fortsetzen, fanden sie die Täler von fahlem Weiß überzogen, das vom nahen Winter kündete, jedoch im Lauf des Vormittags wieder verblasste. Der Regen hatte aufgehört, dafür strich eisiger Wind über die Hügel und peitschte durch die Senken. Alphart schien das nichts auszumachen, aber der Gilg fror erbärmlich in seiner vom Vortag noch durchnässten Kleidung. Verzweifelt zog er den Umhang enger um die Schultern, aber die klamme Wolle spendete längst keine Wärme mehr.
»Wir – wir sollten rasten«, schlug er schlotternd vor, »und uns an einem Feuer wärmen, ehe wir uns den Tod holen.«
»Nein«, lehnte Alphart ab, während er sich wachsam umblickte, »wir gehen weiter. Diese Gegend ist nicht sicher. Wegelagerer und Verstoßene sind im Schwarzmoor zu Hause, übles Gesindel, das immer wieder über den Fluss kommt. Ich habe nicht vor, ihnen zum Opfer zu fallen.«
»Ich auch nicht!«, stieß Leffel erschrocken hervor, der plötzlich fand, dass die Kälte gar nicht so schlimm war verglichen mit Räubern und Meuchelmördern. Er schritt kräftiger aus, um sich zu wärmen, und so kamen sie rascher voran.
Die Straße hatte die Richtung geändert und führte inzwischen nach Nordosten. Je weiter die beiden Wanderer ihr folgten, desto brüchiger wurde das Pflaster unter ihren Füßen. Bisher waren sie unterwegs kaum Menschen begegnet, und nördlich von Kean d’Eagol waren sie völlig allein auf dem steinernen Band, das sich über weite Strecken abgesenkt hatte und in
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