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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gewesen war, waren auch sie ihm riesig und unheimlich vorgekommen. Nun jedoch wurde ihm klar, dass alle Gehölze Allagáins zusammen noch immer winzig waren im Vergleich zu diesem Urwald. Statt Buchen und Birken, deren Blätter sich im Herbst golden färbten und zwischen denen vereinzelte Fichten standen, gab es hier knorrige Eichen und dunkelgrüne, fast schwarze Tannen. Riesige Farne überwucherten den Boden, und überall wuchs dunkles Moos. Die Luft war feucht und stickig, sodass Leffel bisweilen das Atmen schwer fiel. An vielen Stellen hingen Schlinggewächse von den Bäumen, und der Gilg erblickte Pilze, die größer waren als alle, die er je zuvor gesehen hatte.
    »Hüte dich, sie zu pflücken oder gar davon zu essen«, warnte Alphart, als er sah, wie Leffel die Hand nach einem von ihnen ausstreckte. »Es wäre nicht gut für dich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dein Bauch würde sich aufblähen wie ein Blasebalg. Mehrere Tage lang hättest du grässliche Schmerzen, bis du schließlich deine eigenen Innereien erbrechen würdest.«
    »I-ich habe verstanden«, bestätigte Leffel eingeschüchtert.
    Er behielt die Hände fortan unter seinem Umhang und begnügte sich damit, dem Jäger über den schmalen Pfad zu folgen, den dieser mit seiner Axt durch das Dickicht bahnte. Von der Straße war kaum noch etwas zu erkennen, die urwüchsige Kraft des Waldes hatte sich zurückerobert, was Menschenhand ihr einst abgetrotzt hatte.
    Als es dunkel wurde, suchte Alphart einen Lagerplatz. Der Gedanke, inmitten dieser unheimlichen Umgebung zu übernachten, behagte Leffel ganz und gar nicht, aber er war so müde und seine Füße taten so weh, dass er nicht widersprach. Auf weichem Moos breiteten sie ihre Umhänge aus und betteten sich darauf, und mit vor Kälte klammen Fingern suchte Leffel in seinem Rucksack nach etwas Essbarem.
    Nach einem Feuer fragte er erst gar nicht. Alphart machte keine Anstalten, eines zu entfachen, und in Anbetracht der unzähligen Gefahren, die in den Tiefen des Waldes lauern mochten, war es sicher auch besser so. Der Gilg begnügte sich damit, auf einem Stück Pökelfleisch herumzubeißen und von dem Fladenbrot zu essen, das vom Regen feucht geworden war. Dazu gab es kaltes Wasser, das schal und abgestanden schmeckte. Nicht gerade das, was man ein ausgiebiges Nachtmahl nannte, aber immerhin besser als nichts.
    Das Licht, das ohnehin nur spärlich durch das dichte Blätterdach drang, verblasste, und es wurde schließlich so finster, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte.
    »Schlaf jetzt, ich werde Wache halten«, sagte Alphart irgendwann.
    Erschöpft schloss Leffel die Augen. Obwohl seine Kleidung noch immer feucht war und er am ganzen Körper zitterte vor Kälte und Überanstrengung, fiel er schon kurz darauf in tiefen Schlaf.
    Im Traum sah er seltsame Dinge. Er selbst hockte unten am Fluss bei der alten Mühle und angelte. Plötzlich biss ein Fisch an, und die Rute der Angel bog sich, als wollte sie bersten – es musste ein besonders großer und fetter Fang sein, den er da am Haken hatte. Leffel sprang auf und rief um Hilfe, aber niemand kam, um mit Hand anzulegen. Derweil bog sich die Angel immer mehr, und im Fluss stiegen Blasen auf. Eine Flosse und ein breiter schwarzer Rücken erschienen – und jäh erkannte Leffel, dass es sich keineswegs um einen besonders großen Fisch handelte, den er da am Haken hatte, sondern um ein regelrechtes Monstrum.
    Entsetzt ließ er die Angel los, und sie verschwand unter Wasser, zusammen mit der Flosse. Mit weichen Knien sank der Gilg zu Boden, sein Herz schlug ihm bis in den Hals. Kaum glaubte er, wieder aufatmen zu können, als in der Mitte des Flusses plötzlich weiße Gischt in die Höhe spritzte. Das Wasser teilte sich – und aus der Mitte des Flusses schoss die scheußlichste Kreatur hervor, die Leffel je gesehen hatte.
    Riesige Fischaugen starrten ihn an, aus einem schuppigen Maul ragten dolchartige Zähne. Der Gilg wollte schreien, aber er konnte nicht. Der Schlund der Kreatur öffnete sich und schoss auf ihn zu – aber anstatt ihn einfach zu verschlingen, sprach das Ungeheuer mit ihm.
    »Wach auf«, verlangte das Monstrum barsch, »du hast lange genug geschlafen…«
    Leffel blinzelte – und zu seiner maßlosen Verblüffung erkannte er, dass es kein Riesenfisch war, in dessen Antlitz er blickte, sondern Alphart Wildfänger.
    Der Gilg brauchte einen Augenblick, um sich darüber klar zu werden, dass er sich nicht bei der alten Mühle am Fluss

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