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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Bei allem Schmerz, den du empfindest, wirst du das zugeben müssen.«
    »Wer soll es sonst gewesen sein?«, fuhr Galfyn seinen Lehrer an. »An wem sollen wir uns sonst rächen für den Schmerz, der uns zugefügt wurde? So viele von unserem Stamm wurden getötet. Sollen wir das einfach hinnehmen?«
    »Nein«, entgegnete Herras ungerührt, »aber ich erwarte, dass du nach der Wahrheit suchst, ehe du handelst.«
    Damit zog der alte Waffenmeister etwas unter seinem ledernen Harnisch hervor, das er bislang dort verborgen gehalten hatte. Es war ein schmutziges Stück Stoff. Die Farben konnte man dennoch gut erkennen.
    Gold und Blau – das Banner Iónadors…
    »Woher hast du das?«, fragte Galfyn verblüfft.
    »Dort am Baum habe ich es gefunden, auf einen Speer gesteckt.«
    »Die Farben Iónadors«, sagte Galfyn so leise, als fürchtete er sich davor, die Geister der Vergangenheit zu wecken.
    »Lange wurde es nicht mehr bei uns im Wald gesehen«, fuhr Herras fort, »seit den Tagen des Krieges zwischen dem Waldvolk und den Herren der Goldenen Stadt. Trotz der Ströme von Blut, die damals geflossen sind, haben wir gelernt, einander zu achten. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich die Allagáiner fernhalten von unserem Wald, so wie wir uns fernhalten vom Gebirge. Auf diese Weise ist es uns lange Zeit gelungen, den Frieden zu wahren.«
    »Aber nun wurde er gebrochen«, sagte Galfyn trotzig. »Wir sind es nicht gewesen, die das Gesetz missachtet und die Grenze übertreten haben. Dafür wird das Bergvolk unsere Rache treffen.«
    »Einen Krieg gegen Iónador zu führen ist mit einer Stammesfehde nicht zu vergleichen«, erklärte Herras. »Die Goldene Stadt verfügt über ein großes Heer. Ihre Reiterei ist stark und mächtig, und das Fußvolk geht in die Tausende, ganz abgesehen von den Kriegsmaschinen, über die die Armee von Iónador verfügt. Sylfenkunst hat sie einst erschaffen, und sie vermögen furchtbaren Schaden anzurichten unter ihren Feinden.«
    »Sylfenkunst!« Galfyn spuckte verächtlich aus. »Ist dies hier auch Sylfenkunst gewesen? War es Sylfenkunst, die diese Raubtiere in Menschengestalt dazu brachte, unsere schutzlosen Frauen und Kinder zu überfallen und niederzumetzeln?«
    »Du bist verbittert und voller Trauer«, stellte Herras fest. »In solcher Verfassung sollte keine Entscheidung zum Krieg getroffen werden. Nimm dir Zeit, um die Toten zu betrauern, wie die Tradition es vorschreibt. Erst danach entscheide, was geschehen soll.«
    »Ist dies dein Rat, Oheim?«
    »Mein Rat als Waffenmeister – und als dein Freund.«
    »Dann tut es mir leid, wenn ich deinen Ratschlag diesmal nicht beherzigen kann«, erwiderte Galfyn düster. »Ein solches Verbrechen schreit nach dem Blut der Mörder, woher auch immer sie kamen. Ich werde sie stellen – und wenn es der Fürstregent persönlich sein sollte, den ich zur Rechenschaft ziehen muss.«
    »Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Ein solcher Schritt muss wohlüberlegt sein. Außerdem vermag ein Stamm allein nichts auszurichten gegen die Macht Iónadors.«
    »Denkst du, das wüsste ich nicht? Ich kenne die Geschichte unseres Volkes gut, Oheim. Du selbst hast sie mir beigebracht. Ich weiß von den blutigen Schlachten, die in der Vergangenheit geschlagen wurden, und von der Niederlage, die unsere Vorfahren vor den Mauern Iónadors erlitten. Aber entbindet mich das von meiner Pflicht? Kann ein Verbrechen wie dieses deshalb ungesühnt bleiben? Nein, Herras. Lass uns die Toten betrauern – aber gleichzeitig wollen wir auf Rache sinnen. Ich werde Boten zu den benachbarten Stämmen schicken. Zu den Wölfen, den Bären, den Ebern, den Füchsen, den Bibern – und zu den Schlangen.«
    »Die Krieger des Schlangenclans sind unsere Feinde!«
    »Jetzt nicht mehr.« In Galfyns Augen war ein Lodern, das selbst seinem Waffenmeister Angst machte. »Diesmal geht es nicht um Ehre oder um Pferde – diesmal geht es um unser Überleben. Die Stämme des Waldes müssen zusammenstehen, wenn sie der Bedrohung durch Iónador trotzen wollen, oder wir werden allesamt enden wie unsere Frauen und Kinder, die sich nicht verteidigen konnten. Einer allein kann den Krieg gegen das Bergvolk nicht gewinnen – nur gemeinsam können wir das!«
    »Dann wählst du den Krieg?«, fragte Herras bitter.
    »Die Wahl wurde bereits von anderen getroffen, Oheim. Einen Tag und eine Nacht lang wollen wir trauern, dann werden wir die Flamme Fynrads entzünden.«
    »Du willst die Flamme der Einheit

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