Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Es ist kein Ort für eine Prinzessin.« Er und Leffel kamen den Hügel hinunter und traten auf Rionna zu.
»Die Entscheidung darüber musst du schon mir überlassen, Wildfänger«, entgegnete sie gelassen. »Außerdem solltest du mir ein wenig mehr Dankbarkeit erweisen.«
»Wofür?«, fragte Alphart, der sie erreichte und mit dem Gilg vor ihr stehen blieb.
»Dafür, dass ich den beschwerlichen Weg auf mich genommen habe, um euch beide zu warnen.«
»Uns zu warnen? Wovor?«
»Mein Onkel Klaigon will etwas gegen euch beide unternehmen. Ich habe gehört, wie er einen Soldaten der Stadtwache angewiesen hat, euch zu folgen und euch und den Druiden, den ihr sucht, aus dem Hinterhalt zu töten.«
»Der – der Fürstregent will unseren Tod?«, schnappte Leffel entsetzt. »A-a-aber wieso? Wir sind doch in seinem Auftrag unterwegs…«
»Dämlicher Kerl!«, knurrte Alphart. »Hast du nicht gemerkt, dass es Klaigon gleichgültig ist, was mit Allagáin geschieht? Die Erle sind ihm egal, solange er selbst in Iónador sicher ist. In seinen Augen sind wir nichts als Unruhestifter.«
»Ich gebe dir recht«, stimmte Rionna zu, »wenn auch nur zum Teil. Denn es ist nicht wahr, dass mein Onkel etwas anderes als das Wohl Allagáins im Sinn hätte. Nur lässt er sich nicht gern vorschreiben, was er zu tun hat, um diese Sicherheit zu gewährleisten.«
»Ist das so?«, versetzte Alphart. »Euer Onkel legt also lieber die Hände in den Schoß und schaut zu, wie die Erle in das Land einfallen und wehrlose Menschen abschlachten, ja?«
»Noch ist es nicht so weit«, hielt Rionna dagegen.
»Seid Euch da nicht so sicher.«
»Wenn es geschieht, weiß sich mein Onkel zu helfen«, war die Prinzessin überzeugt. »Ein gewaltiges Heer steht unter seinem Marschall Barand von Falkenstein bereit, um Iónador gegen jedweden Feind zu verteidigen.«
»Daran zweifle ich nicht«, murrte Alphart. »Aber wie steht es mit den Siedlungen außerhalb der Mauern Iónadors? Den Zitadellen des Grenzlands, den Dörfern und Gehöften? Können sie ebenfalls auf den Schutz Eures Marschalls Barand vertrauen?«
Rionna schien darauf keine Antwort zu wissen.
»Nun gut«, knurrte der Wildfänger, »dass Ihr den weiten Weg auf Euch genommen habt, um uns zu warnen, lässt hoffen, dass Ihr eines anderen Schlages seid als Euer Onkel.«
»Klaigon hat sich verändert«, gestand sie entschuldigend ein. »Er ist nicht immer so gewesen, müsst Ihr wissen. In den zurückliegenden Jahren ist er mir wie ein Vater gewesen und dem Land ein guter Herrscher. Aber in letzter Zeit bedrücken ihn viele Sorgen, und das hat Auswirkungen auf sein Gemüt. Auch ich bekomme das zu spüren.«
»So?« Alphart musterte Rionna von Kopf bis Fuß. »Und wie, wenn ich fragen darf? Woran könnte es einer Dame aus hohem Hause wohl fehlen? Habt Ihr schon einmal Hunger gelitten? In einer kargen Bauernklause einen harten Winter überstehen müssen?«
»Das nicht. Aber du irrst dich, wenn du glaubst, dass ich frei bin von Zwängen. Du solltest nicht urteilen, Alphart Wildfänger, ehe du nicht die Wahrheit über mich kennst.«
»Die Wahrheit?« Alphart schnaubte. »Meiner Erfahrung nach, Prinzessin, nehmen es die hohen Herrschaften mit der Wahrheit nicht so genau, sondern verdrehen sie so, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Wer sagt uns denn, dass Ihr uns die Wahrheit erzählt? Dass Ihr wirklich unseretwegen hier seid? Vielleicht ist das ja auch eine List, eine Falle Eures verschlagenen Onkels.«
»Glaubst du, mein Onkel würde seine eigene Nichte schicken, um euch in eine Falle zu locken?« Rionna lachte spöttisch. »Ich denke, du überschätzt ein wenig deinen Wert, Wildfänger. Ich bin aus freien Stücken hier. Aber allmählich frage ich mich, ob es eine gute Idee gewesen ist, euch zu warnen.«
»Mit Recht«, schnaubte Alphart. »Hohe Herrschaften und einfache Leute sollten nicht gemeinsame Wege gehen. Das verträgt sich nicht.«
»Ist das deine Überzeugung?«
»Allerdings. Oder wollt Ihr allen Ernstes behaupten, dass Ihr Leffels und meinetwegen all das auf Euch genommen und hierher gekommen seid?«
»Weswegen sonst?«
»Doch nur, um Eurem Onkel zu zeigen, dass Ihr Euren eigenen Kopf habt. Ihr denkt ausschließlich an Euch selbst, Prinzessin.«
»Tatsächlich?«, fragte Rionna aufgebracht, zumal sich ein Teil von ihr durchschaut fühlte. »Dann lass dir sagen, dass du ein ungehobelter Klotz bist, Alphart Wildfänger. Noch nie zuvor ist mir jemand begegnet, der so undankbar war
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