Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
gebracht hatte, verspürte er das dringende Bedürfnis, sich ein wenig zu revanchieren.
»Ich soll was tun?«
»Die Mütze abnehmen«, bekräftigte Erwyn, auf das moosgrüne Ding deutend, das auf Leffels Kopf saß und das er während ihres ganzen Abenteuers nicht ein einziges Mal gelüftet hatte – nicht einmal in Gegenwart des frisch gekrönten Königspaares…
»Nein«, erklärte Leffel und schüttelte nicht nur entschieden den Kopf, sondern verschränkte demonstrativ auch die Arme vor der Brust.
»Runter mit dem Ding!«, forderte Alphart drohend. »Oder bei allen Gipfeln, ich reiße es dir eigenhändig von deinem Dickschädel!«
»Nimm sie ab, ich rat es dir«, krähte auch Mux. »Erst danach trinken wir dunkles Bier.«
»A-also gut«, erklärte sich Leffel zögernd bereit. »Aber ihr dürft nicht schimpfen.«
»Warum sollten wir?«
»Weil… weil…«
Leffel blieb eine Antwort schuldig – dafür griff er kurz entschlossen an seine Mütze und zog sie sich mit einem Ruck vom Kopf.
Was darunter zum Vorschein kam, sorgte nicht nur bei Alphart, sondern auch bei Erwyn für größtes Erstaunen – nur der Kobling schien nicht besonders überrascht zu sein.
Die Ohrmuscheln des Gilg waren nicht mehr oder minder rund geformt wie bei einem gewöhnlichen Menschen, sondern liefen nach oben hin spitz zu, genau wie bei einem…
»Sylfen!«, ächzte Alphart fassungslos. »Du hast Sylfenohren!«
»Ich weiß«, gestand Leffel achselzuckend ein.
»D-dann ist also wahr, was ich schon vermutet habe«, hauchte Erwyn. »Nicht ich bin in Wirklichkeit Ventars Erbe, sondern – du! Dein wahrer Name ist Dochandar…«
»Nein!«, widersprach Leffel entsetzt und hob abwehrend beide Hände. »Sag das nicht! Bitte, sag das nicht!«
»Aber es ist wahr!«
»Warum, in aller Welt«, fragte Alphart fassungslos, »hast du es die ganze Zeit über verschwiegen?«
»Was hätte ich sagen sollen? Dass meine Ohren so aussehen?«, fragte Leffel, und erneut traten ihm Tränen in die Augen. »Dass ich eine Missgeburt bin? Mein ganzes Leben lang wurde ich deswegen gehänselt. Man hat mich ausgelacht und gemieden. Diese Mütze hier« – er deutete auf das wollene Ding in seiner Hand – »hat meine Mutter mir gestrickt, als ich vier Jahre alt war. Seither habe ich sie nur dann abgenommen, wenn ich sicher sein konnte, dass ich ganz allein und unbeobachtet war. Ich hoffte, dass irgendwann Gras über die Sache wachsen und die Leute sich nicht mehr daran erinnern würden, wie seltsam ich aussehe und wie… wie anders ich bin. Aber so war es nicht. Zwar geriet die Sache mit meinen Ohren mit der Zeit in Vergessenheit, aber die Leute mieden mich weiterhin, auch wenn sie den Grund dafür gar nicht mehr wussten. So war es mein ganzes Leben lang – bis ich euch und Yvolar traf. Hätte ich da mein größtes Geheimnis offenbaren und eure Freundschaft aufs Spiel setzen sollen?«
»So ein Blödsinn!«, polterte Alphart drauflos. »Wir hätten niemals…« Aber er unterbrach sich, noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte. War es aufgrund der Erfahrungen, die der arme Leffel gemacht hatte, nicht verständlich, dass er sich so verhalten hatte? War nicht auch Alphart selbst anfangs allem und jedem gegenüber misstrauisch gewesen?
»Mein ganzes Leben lang«, fuhr Leffel leise fort, »habe ich mich für eine Missgeburt gehalten. Niemals wäre ich darauf gekommen, dass diese Ohren ein Zeichen dafür sein könnten, dass ich zu Höherem geboren bin.«
»Ich verstehe«, sagte Alphart. »Darum spürte der Drache in unserer Nähe die schwache Gegenwart eines Sylfen, obwohl Erwyn keiner war. Und aus diesem Grund war es dir auch möglich, in Danaóns Horn zu stoßen und zu tun, was du getan hast.«
»Das… nehme ich an«, stimmte Leffel zu. »Aber ihr müsst versprechen, es niemandem zu sagen. Wenn das hier bekannt wird«, – abermals deutete er auf seine Ohren –, »habe ich keine Ruhe mehr…«
»Allerdings«, stimmte Alphart zu. »Möglicherweise kommen sie sogar auf die Idee, dich zum König zu krönen.«
»Allagáin hat schon einen König und eine Königin«, brachte Leffel schleunigst in Erinnerung, »und ich bin sicher, sie werden ihre Sache gut machen. Ich hingegen bin zum ersten Mal in meinem Leben mein eigener Herr – und so soll es auch bleiben!«
»Schon gut«, wehrte Alphart ab. »Von mir erfährt es keiner.«
»Von mir auch nicht«, versicherte Erwyn, der mit einem Mal unendlich erleichtert schien. »Aber wie ist das möglich? Yvolar
Weitere Kostenlose Bücher