Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Über die können wir uns Laufstreifen mit Diagonalprofil beschaffen – das Zeug gibt’s auf Rollen – und als Isolierung auf dem Anleger ausrollen. Dann rutschen Sie nicht aus und fallen ins Wasser. Wenn die Biester bis zum Anleger kommen, kann es sein, dass Sie in Gekröse und Blut herumwaten. Außerdem besorgen wir Ihnen Stiefel mit Gummisohlen, dann kommen Sie da oben schon klar.«
»Es ist nicht nötig, dass er auf den Anleger steigt«, sagte Rose. »Das kann ich machen. Das geht schon. Meine Blitze sind fast so stark wie seine.«
Tom grummelte etwas in seinen Bart.
»Casshorn schläft«, fuhr sie fort. »Seine Bluthunde sind beschäftigt. Der perfekte Zeitpunkt für Declan, um die Sache zu Ende zu bringen.«
»Nein«, widersprach Declan.
»Anders geht’s nicht, Declan«, sagte sie.
»Nein.«
Tom zuckte die Achseln. »Wenn er Nein sagt, heißt das Nein. Das ist seine Show.«
»Bockmist. Warum nicht?« Sie verschränkte die Arme. »Das ist doch eine Superidee. So leicht kriegst du ihn nicht mehr vor die Flinte, Declan!«
Er erhob sich. »Ich bringe dich jetzt nach Hause.«
Tom sah sie stirnrunzelnd an. »Tja, dann macht das mal unter euch aus. Ich schau derweil mal bei meinen Töchtern vorbei und hole euch in ungefähr einer Stunde wieder ab. In zwei, falls ich Nicki an den Haaren aus dem Edge schleifen muss.«
Auf dem Weg zu Éléonores Haus sprachen sie kein Wort. Adele hatte in Wood House zwar eine Menge Sachen vorrätig, aber jeder Fluchwirker, der was auf sich hielt, benutzte lieber seine eigenen Utensilien. Großmama würde sich jedenfalls mit ihrem eigenen Zubehör wohler fühlen. Während Rose die Reiser und Kräuter zusammensuchte, ließ Declan sie nicht aus den Augen. Sie musste sich zusammenreißen, damit sie ihm den grimmigen Ausdruck nicht mit einer Backpfeife aus dem Gesicht klatschte.
Schweigend kehrten sie zu Rose’ Haus zurück. »Möchtest du Tee?«, fragte Rose, als sie die Stufen hinaufstiegen.
Er nickte.
Also ging sie in die Küche. Er hatte keinen Grund, sich derart dickköpfig aufzuführen. Ihr Plan war absolut wasserdicht. Und einen positiven Nebeneffekt hatte er auch noch, den sie allerdings nicht für wichtig genug hielt, um groß darüber zu reden. Falls die Sache schiefging – und wie sollte sie nicht schiefgehen, wenn man, umgeben von Ungeheuern, auf einem verfaulten Stück Holz mitten in einem unter Strom gesetzten See stand –, falls die Sache also aus dem Ruder lief, würde sie allein dabei draufgehen. Declan wäre noch am Leben und könnte den Kampf weiterführen. Und gegen Casshorn hatte er deutlich bessere Chancen als sie.
Es war ein guter Plan. Das musste sie Declan nur noch begreiflich machen.
Sie goss das kochende Wasser in den Kessel, ließ den Tee ziehen und machte sich auf die Suche nach Declan.
Sie fand ihn hinter dem Haus beim Holzschuppen. Dort saß er auf der Bank, hatte sein größeres Schwert auf den Schoß gelegt und führte langsam und methodisch ein weiches Tuch über die Klinge.
Rose setzte sich auf einen Baumstumpf, der von den Narben zahlloser Beilhiebe gezeichnet war, und wartete. Doch Declan ignorierte sie.
»Meine Methode ist eine gute Methode. Und das weißt du auch. Ich habe mich besser in der Gewalt als du. Und ich bin präziser.«
Er sah auf. Seine Augen leuchteten weiß. Na toll, er hatte die Lampen an, aber keiner saß am Steuer. Also musste sie ihn zur Vernunft bringen.
»Willst du jetzt den blaublütigen Ritter spielen, oder was? Dann sag ich dir jetzt mal was, du kannst es dir gar nicht leisten, den tapferen Recken raushängen zu lassen, Declan. Momentan bist du nämlich bloß eine Einmannarmee, und ich bin die Freiwilligeneinheit der Nationalgarde. Du musst mich schon helfen lassen, und so geht das nun mal am besten.«
Er sagte nichts.
»Rede wenigstens mit mir, Herrgott noch mal!«
Jetzt legte er das Schwert weg und kam zu ihr. Die Entschlossenheit in seinem Gesicht jagte ihr kalte Schauer über den Rücken. Sie wich ein Stück zurück. Doch er packte sie und schubste sie von sich. Sie stieß mit dem Rücken gegen die Hauswand. Da ging ihr auf, dass sie zum ersten Mal wirklich allein waren, ohne das Risiko, erwischt zu werden. Also, falls er glaubte, er könnte sie einschüchtern und dazu zwingen, klein beizugeben, würde er sein blaues Wunder erleben.
»Rose.«
Rose zuckte weg, aber er versperrte ihr den Fluchtweg mit dem Arm. »Du bist der Stärkere, ich hab’s geschnallt«, knirschte sie. Sie wollte ihn
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