Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
nichts ausmachen dürfen. Sie und Kaldar hatten nichts miteinander, würden niemals etwas miteinander haben, nicht mal, wenn er ihr den Mond versprochen und auf einem Silbertablett serviert hätte. Es machte Spaß, Männer wie Kaldar zu küssen, halten konnte man sie nicht. Audrey hatte keine Ahnung, warum um alles in der Welt sie dermaßen sauer war, bloß weil Kaldar dieser Schlange im weißen Rock seine Aufmerksamkeit schenkte.
Magdalene lächelte. »Also ist Morell doch noch gestrauchelt. Gut zu wissen. Was wollen Sie von mir?«
Kaldar verlieh seiner Stimme einen Anflug von Vertraulichkeit. »Man erzählt sich, dass Morell nicht überall beliebt ist.«
»Die Leute reden viel.«
»Wenn jemand, der Morell nicht ausstehen kann – sagen wir ein Konkurrent –, uns mit Informationen versorgen oder uns helfen würde, an ihn heranzukommen, nun, dann würde diese Person davon profitieren, dass Morell das Handwerk gelegt wird.«
»Ha.« Magdalene beugte sich vor. »Mal angenommen, ich helfe Ihnen – was, wenn Sie geschnappt werden und meinen Namen preisgeben? Das könnte mich ernsthaft in Schwierigkeiten bringen.« Sie tastete Kaldar von oben bis unten mit ihrem Blick ab. »Sosehr ich das unter anderen Umständen genießen würde …«
Audrey hätte ihr fast eine gescheuert. Um Himmels willen, Weib, kehre deine Restwürde zusammen.
»… sowenig bin ich scharf drauf, dass Morells Schläger hier aufkreuzen.«
»Heißt das nein?« Kaldar legte den Kopf schief. Sein Silberohrring funkelte im Licht. Hm. Genauso würde er nach einer wilden Nacht aussehen, wenn er den Kopf aus den Laken streckte.
Nun starrten sie ihn beide an und verdrehten die Augen. Audrey richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Pflanze. Um sich zu beschäftigen, hätte sie gerne an der fleischfressenden Pflanze aus dem Edge herumgezupft, wenn die ihr nicht womöglich die Haut von den Fingerspitzen geätzt hätte.
»Schon möglich.« Magdalene erwachte aus ihrem Kaldar-Rausch und betrachtete wieder die Karte. »Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun. Im Gegenzug beschaffe ich Ihnen eine Einladung zu seiner Auktion. Ein narrensicherer Weg in Morells Burg. Seine Wachen werden Ihnen sogar die Vordertür aufhalten.«
»Ich höre«, nickte Kaldar.
»Ich habe Talente. Im Edge nennt man Menschen wie mich Wahrsager.«
»Alles klar.« Nun wusste er, was der Schlangenblick zu bedeuten hatte.
»Jeder hat sein Päckchen zu tragen«, sagte Magdalene leichthin. »Ihr Chef treibt Sie in den Wahnsinn, Sie haben Stress im Job, die Haare fallen Ihnen aus, Sie schleppen fünfzig Pfund zu viel mit sich herum oder verdächtigen Ihre Frau, es mit einem Gebrauchtwagenhändler zu treiben. Sie wissen nicht weiter, also kommen Sie zu mir. Zwei reizende Angestellte führen Sie durch den Korridor, und dann stehen Sie vor mir.«
Natürlich, ein paar Edger konnten fast jeden über die Grenze ins Edge schleusen, sie mussten, um jemanden hinüberzubringen, lediglich ihre Zauberkräfte auf diese Person übertragen.
»Sie erzählen mir von Ihren Problemen, und nachdem wir uns zwanzig Minuten unterhalten haben, werden Sie sich besser fühlen. Je länger wir reden, desto einfacher wird Ihr Leben. Die Leute glauben, dass Geld glücklich macht, aber das tut es nicht. Es geht um Aufmerksamkeit. Ein Doughnut-Verkäufer, der im Jahr 20 000 verdient, ist oft zufriedener als eine Führungskraft mit 200 000 im Jahr, weil der Verkäufer jeden freien Tag zu schätzen weiß, den er kriegen kann. Wer zu mir kommt, sieht nur noch das Negative, also rücke ich meinen Klienten den Kopf zurecht, damit sie ihr Leben wieder durch die rosarote Brille sehen.«
»Und dafür geben sie ihre Geheimnisse preis.« Audrey klappte den Mund zu. Uupsie .
Magdalene warf ihr einen Blick zu, als sähe sie sie zum ersten Mal. »So ist es.«
Man ging auf eigene Gefahr zu Wahrsagern. Sie gaben einem ein gutes Gefühl. Doch dann fiel einem ein, dass man ihnen alles über das Techtelmechtel mit Bob aus der Nachbarschaft, den Tag, als einem bei den Kindern die Hand ausrutschte, und natürlich auch über die 20 000 Dollar aus dem Nachlass von Tante Hilda verraten hatte. Wahrsager handelten mit Informationen. Und die meisten Edger wussten das.
»Ich bin all die Jahre prima alleine klargekommen. Aber jetzt habe ich ein Problem.«
Magdalene nahm eine Fernbedienung vom Tisch neben sich und drückte eine Taste. Daraufhin glitt ein Teil der Wand zur Seite und offenbarte einen Flachbildschirm. Dann klappte sie
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