Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
ihren Laptop auf, gab in rascher Folge etwas ein, worauf der Bildschirm aufleuchtete und einen lächelnden Anzugträger zeigte. Anfang 30, gesunde Bräune, strahlend weiße Zähne, vom Friseur blondierte Haare. Ohne Übertreibung gut aussehend. Mit dem Gesicht hätte er einen guten Staubsaugervertreter oder erfolgreichen Serienmörder abgegeben: offen, aufrichtig, selbstsicher und angenehm. Alte Damen würden ihn gewiss für einen »netten Burschen« halten und ihn ohne Umstände in ihr Heim bitten.
»Edward Yonker.« Magdalene verschränkte die Arme vor der Brust. »Auch bekannt als Ed junior. Er steht der Kirche der Gesegneten vor. Ein Wohlstandsprediger.«
Kaldar nickte. »Verstehe.«
»Ed ist wie ich, nur dass seine Spezialität Menschenmassen sind. Der geborene Wanderprediger.«
Audrey betrachtete weiter die Pflanze. Sie hatte Wanderprediger gekannt, aber keiner hatte irgendwas getaugt. Diese Typen predigten Feuer und Schwefel, wiegelten ihre Zuhörer bis zur Hysterie auf, zogen ein paar billige Tricks ab und ließen anschließend den Klingelbeutel herumgehen. Wanderprediger – nichts als Getue.
»Ed ist nur mäßig begabt, deshalb habe ich ihm nicht allzu viel Beachtung geschenkt. Aber vor zwei Jahren gelangte er an ein Spielzeug aus dem Weird, worauf seine Kirche plötzlich expandierte. Er ist zweimal umgezogen, seit Kurzem residiert er in einem schönen neuen Haus. Ed will seine Kirche weiter vergrößern, deshalb versucht er, mir meine Klienten abzuwerben.«
»Um des anderen Last zu tragen?«, fragte Kaldar.
Magdalene verzog das Gesicht. »Glück ist ansteckend. Ich bringe meinen Klienten bei, freundlicher und mitfühlender zu sein, weil die Menschen in ihrer Umgebung so glücklicher werden.«
Audrey hätte fast verächtlich geschnaubt. Magdalene Moonflower. Die neue Mutter Teresa. Liebe deinen Nächsten und erzähl mir von deinem bevorstehenden Geschäftsabschluss, damit ich meinen Börsenmakler anrufen kann …
»Ed macht ihnen weis, dass es okay ist, ein reicher Dreckskerl zu sein. Er sagt, Jesus will, dass sie zufrieden sind.« Die Wahrsagerin blickte auf den Bildschirm. »Ich habe ihn bereits gewarnt, sich von meinen Leuten fernzuhalten und die Finger von meiner Klientenliste zu lassen. Für mich hat mal ein Mädchen gearbeitet, ein nettes, süßes Ding, nicht sonderlich helle, aber sehr fleißig. Und eifrig. Sie hatte es nicht immer leicht im Leben, aber aus welchem Grund auch immer kam sie mit ihren Sorgen nicht zu mir, sondern wandte sich lieber an Eds Kirche.«
Wer hätte das gedacht?, überlegte Audrey. Sie hatte kaum eine Stunde mit dieser Frau zugebracht, trotzdem hätte sie sich lieber sämtliche Zähne ziehen lassen, als sich von Magdalene im Kopf herumwühlen zu lassen.
»Ed hatte sie schnell am Haken. Sie kam nicht mehr zur Arbeit. Als einer meiner Leute sie das nächste Mal sah, sang sie in Eds Chor. Sie ist jetzt eine seiner gesegneten Jungfern. Deren Aufgabe sind besondere Exerzitien .« Magdalene spie das Wort aus wie Gift. »Für seine Großspender.«
»Und was wollen Sie von mir?«, fragte Kaldar.
»Sein Spielzeug. Beschaffen Sie es mir, und ich bringe Sie in Morells Burg.«
Kaldar verbeugte sich. Seine Lippen berührten leicht ihre ausgestreckte Hand.
Puh .
»Abgemacht«, sagte Kaldar.
Als sie Magdalenes Unterschlupf verließen, atmete Audrey gierig die frische Luft ein. Kaldar legte ihr behutsam die Hand auf den Rücken, um sie über die Straße zu dirigieren.
Sie trat zur Seite. »Nehmen Sie die Hand da weg, Kaldar.«
»Wieso?«
Audrey überquerte die Straße. »Weil Sie Magdalene damit berührt haben.«
Kaldar gluckste. »Das ist nicht ansteckend.«
»Kann man nie wissen.«
Sie kamen zu dem Ford, den sie sich heute Morgen von einem Gebrauchtwarenhändler »ausgeliehen« hatten. »Die hat Sie echt auf dem falschen Fuß erwischt, was?« Kaldar hielt ihr die Autotür auf. Als sie einsteigen wollte, strich seine Hand über ihre Hüfte.
»Ich stehle Sachen. Das gefällt zwar niemandem, aber letztlich geht es nur um Sachen. Die man ersetzen kann. Sie stiehlt Erinnerungen und Geheimnisse und ruiniert Menschen, die sich ihr anvertrauen. Sie ist eine Schlange.«
»Ich dachte eher an einen Hai.«
Sie stiegen ein, Kaldar startete den Motor.
»Sie meinen es also nicht ernst«, fragte sie.
»Na und ob.«
»Kaldar, solche Jobs brauchen Zeit. Haben Sie vergessen, dass eine mörderische Blaublütige hinter uns her ist?«
»Die keine Ahnung hat, wo wir hinwollen. Wir
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