Land der Sehnsucht (German Edition)
ein.
Sie kam am Kolonialwarenladen vorbei, dessen Türen von Fässern mit Kartoffeln und Zwiebeln weit offen gehalten wurden. Wenige Minuten später schritt sie an einer Herrenschneiderei vorbei, die sie sich für einen späteren Besuch merkte: Hudsons Herrenschneiderei. Vielleicht besaß der Herr hinter der Verkaufstheke dieses Ladens die nötigen Fähigkeiten, um ihr grünes Kostüm zu retten, das jetzt traurig im Schrank in ihrem Hotel hing.
Ein leises Pfeifen erregte ihre Aufmerksamkeit, bevor sie den Kopf schnell wieder nach vorne drehte. Eine Gruppe junger Männer – Schuljungen, wie es aussah – stand vor dem Friseurladen auf dem Gehweg. Ihre Bemerkungen waren nicht zu verstehen, aber ihr Lachen übertönte das Klappern der Pferdewagen, die durch die Straßen fuhren.
Weiter unten auf dem Holzweg verlangsamte sie ihre Schritte und trat näher an das Schaufenster eines Geschäfts.
Kleider hingen an einem Holzständer und waren offensichtlich mit großer Sorgfalt angeordnet. Was ihre Aufmerksamkeit als Erstes erregte, war die Farbe der Kleider, beziehungsweise das Fehlen jeglicher Farbe. Die Stoffe waren alle braun und grau. Sie sahen so ähnlich aus wie das, was vielleicht die Spülmädchen im Haus der Marchands trugen, aber viel weniger elegant. Véronique hoffte, dies wäre nicht das einzige Bekleidungsgeschäft in der Stadt, konnte aber den beängstigenden Verdacht nicht von sich abschütteln, dass es vielleicht tatsächlich kein anderes gab.
Der Mietstall befand sich an der Ecke vor ihr, genau wie Lilly es ihr beschrieben hatte. Véronique überquerte die Straße und passte gut auf, um den Hinterlassenschaften von Pferden, Ochsen und anderen Tieren auf der Straße auszuweichen. Gab es in dieser Stadt denn keine Leute, die dafür verantwortlich waren, solche … Vorkommnisse zu beseitigen? Das leuchtende Königsblau ihres Kleides war bereits vom Straßenstaub überzogen. Auf keinen Fall wollte sie es auch noch durch einen Haufen …
Ihr Stiefel versank in etwas Weichem.
Sie trat schnell einen Schritt zurück und verzog dann das Gesicht und atmete durch die Zähne aus. Nicht nur ihr Stiefel war bedeckt, auch der Saum ihres Kleides war mit den stinkenden Hinterlassenschaften verschmiert.
Sie schaute sich nach einem Grasfleck um, in dem sie ihre Stiefel abwischen könnte, aber offensichtlich hatte Gott jede Art von Wachstum von diesem trockenen Stück Erde verbannt. Da sie darauf vertrauen konnte, dass niemand hier Französisch sprach, ging sie weiter die Straße hinab und fand eine gewisse Genugtuung darin, ihre Meinung über diese Stadt, dieses Territorium, das ganze Land und seine Bewohner leise vor sich hin zu murmeln.
Vor den offenen Türen des Mietstalls blieb sie stehen. Da sie noch nie zuvor ein solches Gebäude betreten hatte und unsicher war, wie man dabei vorging, entschied sie sich, einen Moment stehenzubleiben und zuzuhören. Lilly hatte ihr den Stallbesitzer beschrieben, und Véronique konnte Monsieur Jake Sampson leicht von seinen Kunden unterscheiden. Jetzt musste sie nur noch entscheiden, wie sie ihn am besten ansprechen sollte.
Männer kamen und gingen. Jeder unterzog sie beim Vorbeigehen einer gründlichen Musterung. Ohne Ausnahme tippten sie alle an ihren Hut und begrüßten sie herzlich, aber da sie die einzige Frau weit und breit war, wünschte Véronique jetzt, sie hätte Lilly gebeten, sie zu begleiten.
Sie verstand Bruchstücke von Jake Sampsons Gespräch mit seinen Kunden und verwarf bald jeden Zweifel, ob er der richtige Mann wäre, um sich bei ihm nach einem Fahrer und einer Kutsche zu erkundigen. Dieser Mann schien über jeden in Willow Springs einfach alles zu wissen.
Nachdem sie gewartet hatte, bis der letzte Kunde gegangen war, atmete sie tief ein und wusste, dass der Moment gekommen war.
Monsieur Sampson stand ein paar Meter von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr an einem Steinofen. Er betätigte einen Hebel, der an der Seite abstand – fünfmal, sechsmal –, bis durch den Hals des Steingebildes Flammen in die Höhe schossen.
„Bonjour, Monsieur Sampson.“ Sie sprach lauter, um über dem Knistern des Feuers gehört zu werden.
„Ich bin gleich bei Ihnen“, antwortete er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. „Heute Morgen war viel los und ich hatte kaum eine Minute, um …“ Er erblickte sie und verstummte.
Véronique hob den Abstand zwischen ihnen auf. „Bonjour, Monsieur Sampson. Ich komme in der Hoffnung, dass Sie mir helfen können, Sir.“
Er legte
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