Land der Sehnsucht (German Edition)
ließ bei der Erinnerung an die Bitte ihrer Mutter den Kopf hängen. Beim Gedanken daran, dass Christophe nicht mehr in Paris war und dass die Stadt nicht mehr so war, wie sie sie in Erinnerung hatte, wurde ihr ganz schwer ums Herz. Das hatte Christophe ihr in seinem Brief erklärt, den sie bei ihrer Ankunft in New York City bekommen hatte. Die Zeitungsberichte, die sie dort gelesen hatte, bestätigten seine Worte. Obwohl die Berichte schon mehrere Wochen alt gewesen waren, als sie sie las, unterstrichen sie Christophes Beschreibung vom Sturz ihrer geliebten Stadt nach monatelanger Belagerung. Die Bewohner von Paris litten Hunger und aßen alle möglichen Tiere, nur um am Leben zu bleiben, sogar Ratten, die sich in den Abwasserkanälen und Straßen der Stadt tummelten.
Alle diese Gedanken zogen sich wie zahllose Fäden in ihrem Herzen zu einem festen Knoten zusammen und machten ihr die traurige Wirklichkeit bewusst: Es gab für sie keinen anderen Ort, an den sie gehen konnte, und niemanden, an den sie sich wenden konnte.
Sie hob den Blick und wurde verlegen, als sie sah, dass Monsieur Sampson sie geduldig beobachtete. Sie holte tief Luft und nahm wieder Haltung an.
„Habe ich etwas gesagt, das Sie beunruhigt hat, Miss Girard? Wenn ja, dann bitte ich Sie vielmals um Verzeihung, Madam.“
Wenn sie sich nicht irrte, hatte sich Jake Sampsons Verhalten etwas geändert. Er besaß eine einfühlsame Ader, die sie ihm vorher nicht zugetraut hätte. „Ganz und gar nicht, Monsieur Sampson.“ Sie räusperte sich. „Aber ich habe eine Frage an Sie. Etwas, das sehr wichtig für mich ist.“
Er blieb still und aufmerksam.
„Ich brauche einen Fahrer, der mich in mehrere Nachbarstädte in dieser Gegend begleitet. Ich bin natürlich bereit, diesen Herrn für seine Dienste zu entlohnen. Und wenn er keine passende Kutsche besitzt, kann ich es mir leisten, dafür auch zu zahlen.“
„Einen Fahrer, sagen Sie.“ Er legte die Zange weg. „Sie meinen einen Mann, den Sie dafür bezahlen, dass er Sie irgendwohin bringt?“
„Oui, einen Mann gegen Bezahlung. Jemanden, der die Kutsche fährt.“
Seine Stirn zog sich in Falten und er lächelte wieder. „Jemanden, der die Kutsche fährt, ja?“
„Oui“, antwortete sie, dieses Mal mit weniger Zuversicht. Warum wiederholte er ständig alles, was sie sagte?
„Ich fürchte, ich kenne keinen Mann, der im Moment eine solche Arbeit sucht, und ich habe keine einzige Kutsche übrig. Aber falls Sie einen Wagen brauchen, sind Sie an die richtige Adresse gekommen. Ich habe einen da hinten stehen. Er ist startklar. Es ist ein Transportwagen, den ich auf Bestellung angefertigt habe. Der Mann hat die Hälfte im Voraus bezahlt und sollte ihn vor einer Woche abholen, aber er ist nicht mehr aufgetaucht. Ich habe nichts mehr von ihm gehört.“ Er bedachte sie mit einem prüfenden Blick. „Wie gut sind Sie darin, ein Gespann zu lenken, Madam?“
„Ein Gespann?“
„Ein Pferdegespann, Madam. Haben Sie eine Ahnung, wie man einen Wagen lenkt?“
„Ah …“ Véronique konnte Monsieur Sampsons Blick nicht standhalten. „Oui, natürlich. Diese Erfahrung habe ich schon gemacht.“ Wenn sie das eine Mal zählte, als sie mit Christophe in der Kutsche gefahren war und er ihr für einen Moment die Zügel überlassen hatte. Damals waren sie elf gewesen, wenn sie sich richtig erinnerte.
Monsieur Sampson schaute sie nachdenklich an. „Warum nehmen Sie nicht einfach die Postkutsche, Miss? Das ist viel leichter, ganz zu schweigen davon, dass es sicherer und billiger ist.“
„Ich habe mir diese Möglichkeit lange überlegt, aber die Postkutschenroute führt nicht dorthin, wohin ich fahren muss.“ Als sie mit Monsieur Colby in Denver gewesen war, war sie in einem Landvermessungsbüro gewesen und hatte sich eine Liste mit den Bergbaustädten in der Gegend um Willow Springs geben lassen. Laut der Landkarte lagen die Orte, die über die Landschaft verstreut waren, nicht weit auseinander. Sie hatte keine Erfahrung im Kartenlesen, aber sie hatte mit relativer Zuversicht ausgerechnet, dass sie die Bergbauorte innerhalb kurzer Zeit alle besuchen könnte.
„Und wohin genau müssen Sie fahren, Miss?“
Die Miene, mit der er diese Frage stellte, vermittelte ihr das Gefühl, dass sie dabei war, seine Gunst zu verlieren, und das war etwas, das sie sich auf keinen Fall leisten konnte. „Ich habe vor, Ihre Nachbarorte, in denen Bergbau betrieben wird, zu besuchen, Monsieur Sampson, und ich bin bereit, dem
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